Biorhythmus: Mann sieht auf Uhr
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Biorhythmus – die innere Uhr

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 20.10.2016 - 10:53 Uhr

Der Mensch folgt wie nahezu alle Lebewesen biologischen Rhythmen und Zyklen, die sich im Laufe der Entwicklung als lebenswichtig herausgestellt haben. Die Zusammenhänge werden durch eine recht junge wissenschaftliche Disziplin, die Chronobiologie erforscht. Besonders bekannt ist der Tag-Nacht-Rhythmus, der Arbeits- und Ruhephasen regelt und urgeschichtlich eng mit der Lichtverteilung während des Tages zusammenhängt. Was versteht man unter dem Biorhythmus, wie funktioniert die innere Uhr und was ist die chinesische Uhr?

Biorhythmus: Die innere Uhr als Taktgeber

Ähnliches gilt wie für den Tag-Nacht-Rhythmus gilt auch für Sommer- und Winterzeit, die den menschlichen Körper durch die unterschiedlich lange Einstrahlung der Sonne beeinflussen – lange Ruhezeiten im Winter minimieren den Energiebedarf und sicherten schon vor Urzeiten das Überleben. Deshalb dachte man früher, dass der Organismus auf einen von außen vorgegebenen Rhythmus reagiert.

Mittlerweile weiß man allerdings, dass wir einen eigenen Taktgeber besitzen, die innere Uhr. Sie reagiert zwar auf äußere Einflüsse, tickt aber selbst dann weiter, wenn Umweltfaktoren wie das Licht ausgeschaltet werden. Gesteuert wird sie von Prozessen wie die Ausschüttung des Hormons Melatonin.

Biorhythmen: Kreislauf des Körpers

Die natürlichen Schwankungen der Körperfunktionen als kontinuierliche, in wiederkehrenden Zyklen ablaufende Veränderungen im Organismus werden Biorhythmen genannt. Wichtige Biorhythmen beim Menschen sind: 

  • der Schlaf-Wach-Rhythmus
  • der Aktivitätszyklus
  • der Nahrungsaufnahme- und Trinkrhythmus
  • der Körpertemperaturrhythmus
  • endokrine Rhythmen

Weitere Formen einer biologische Periodik sind der weibliche Zyklus, der Herzschlag und die Erneuerung der Blutkörperchen.

Diese Beispiele machen deutlich, dass der Mensch nicht nur einem 24 bis 25 Stunden dauernden Tagerhythmus unterworfen ist, der durch die innere Uhr gesteuert ist (zirkadianer Rhythmus), sondern auch andere kürzere (ultraradianer Rhythmus) oder länger dauernde Zyklen (infraradianer Rhythmus) eine Rolle spielen.

Wofür wir unsere innere Uhr benötigen

Die biologische Uhr spielt eine wichtige Rolle: Sie meldet unserem Körper, wann er aktiv sein kann und wann es Zeit ist, einen Gang runterzuschalten. Sie beeinflusst unsere Körperfunktionen – den Blutdruck, die Körpertemperatur, den Hormonhaushalt.

Steuerzentrum ist ein Nervenkern (Nucleus) in unserem Gehirn – nicht größer als ein Reiskorn. Er liegt auf Höhe des Nasenrückens über der Kreuzung (Chiasma) der Sehbahnen, wodurch sich auch sein Name ableitet: suprachiasmatischer Nucleus, einfacher: SCN. Er wird durch die Hirnfunktion und über Hormone gesteuert und reagiert vor allem auf Lichtunterschiede, die ihm von speziellen Zellen der Netzhaut übermittelt werden.

Lebensumstände bringen Biorhythmus aus dem Takt

Was früher recht einfach zu bewerkstelligen war, ist in der heutigen Zeit eine ständige Herausforderung für unseren inneren Taktgeber: Ob Nacht- oder Schichtarbeit, Discoabende, Langstreckenflüge oder Zeitumstellungen im Frühjahr und Herbst – die Tage werden durch künstliches Licht länger, die Lebensrhythmen entsprechen nicht mehr den Licht- und Dunkelzeiten oder ändern sich kurzfristig immer wieder.

Vorübergehend kann unser Organismus das kompensieren, auf Dauer führt diese Schwerstarbeit zu körperlichen und seelischen Störungen. Wird der individuelle Tagesrhythmus ständig ignoriert, kann es zu Schlafstörungen, Leistungsabfall und Verstimmungen bis hin zu Depressionen kommen, auch das Risiko für körperliche Erkrankungen steigt.

Chronotypen: Von Lerchen und Eulen

Ein weiterer Aspekt ist, dass es verschiedene Zeittypen (Chronotypen) gibt: Die "Lerchen" (Frühaufsteher) und die "Eulen" (Morgenmuffel). Sie haben unterschiedliche Schlaf- und Wachzeiten und unterscheiden sich bei der Schlafdauer. Leben diese – zum Beispiel durch starre Arbeitszeiten in Schule und Erwerbsleben – ständig entgegen ihrem individuellen Rhythmus steigt ebenfalls das Risiko für Probleme.

Die Chronobiologie

Schlafforscher und Zeitbiologen sind diesen Zusammenhängen in den letzten Jahren zunehmend auf der Spur. Die Chronobiologie als interdisziplinäre Wissenschaft erforscht, wie der Biorhythmus und innere und äußere (Umwelt-)Faktoren zusammenhängen und welche Auswirkungen unsere Lebensweise auf die Gesundheit hat. Je mehr Erkenntnisse die Chronobiologie gewinnt, desto lauter werden die Stimmen, unsere Alltagsrhythmen in Schulen, Wirtschaft, Erwerbstätigkeit und Freizeit so flexibel zu gestalten, dass wir unsere innere Uhr nicht missachten müssen.

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Die chinesische Organuhr

In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) spielen die zeitlichen Abläufe wie Jahreszeiten, Mondphasen oder Tagesrhythmen seit jeher eine wichtige Rolle. Ihnen wird traditionell ein wichtiger Einfluss auf das Befinden zugeschrieben, sodass sie sowohl bei der Diagnostik als auch der Therapie berücksichtigt werden. Ein besonderer Zusammenhang besteht zwischen Tageszeit und Organfunktion.

Zur Veranschaulichung dient eine Modellvorstellung auf Basis einer Uhr, bei der jedes 2-Stunden-Segment einem Organ (beziehungsweise einer sogenannten Leitbahn) zugeordnet wird, an dem dieses seinen höchsten Energiedurchfluss hat, also besonders aktiv, aber auch anfällig für Störungen ist. Treten Beschwerden immer wieder zu bestimmten Tageszeiten auf, spricht dies möglicherweise für eine Störung in dem zugeordneten Organ:

3.00-5.00 Uhr
Die Lunge startet durch: Menschen mit Herzschwäche werden oft nachts zwischen 3.00 und 5.00 Uhr wach, weil sie schlecht Luft bekommen. Das Wasser im Körper hat dann die Lungenflügel erreicht und die Lunge arbeitet auf Hochtouren. Der Körper reagiert auf diese Höchstleistung.
Als Untersystem der Lunge kommt der Haut eine besondere Rolle bei der Temperatur-Sensorik zu: Vielen Betroffenen wird kalt und die Kälte weckt sie.

5.00-7.00 Uhr
Der Dickdarm kommt auf Touren: Viele gesunde Menschen haben morgens zwischen 6.00 und 7.00 Uhr Stuhlgang. Diese Regelmäßigkeit erlaubt auch Rückschlüsse auf den Zeitpunkt und die Art der letzten Mahlzeit am Tag zuvor.

7.00-9.00 Uhr
Magenzeit: In dieser Zeit erfolgt die Verdauung am reibungslosesten und daher kommt auch die volkstümliche Empfehlung, morgens wie ein Kaiser zu speisen. Menschen mit niedrigem Blutdruck erleben gegen 11:00 einen Blutdruck-Abfall und können dem mit einer Tasse Brühe oder einer anderen leichten, salzhaltigen Speise begegnen.

12 Stunden später (19.00-21.00) arbeitet der Magen so gut wie gar nicht mehr. Die Nahrung verbleibt bis zum anderen Morgen im Magen und man steht morgens schon mit einem Gefühl der Sättigung auf. Daher sollte man nach 19.00 eigentlich keine Speisen mehr zu sich nehmen, weil die Nahrungsmittel bei 37 Grad Celsius 12 Stunden Zeit haben zu gären und zu faulen.

9.00-11.00 Uhr
Milz und Pankreas sind angeregt: In dieser Zeit arbeitet die Bauchspeicheldrüse auf vollen Touren und setzt die meisten Enzyme und Fermente frei. Daher ist in dieser Zeit die geistige Lernfähigkeit des Einzelnen am besten. Prüfungen in dieser Zeit finden unter optimalen Bedingungen statt. Auch operative Eingriffe können in dieser Zeit am besten durchgeführt werden, da Enzyme Entzündungen vorbeugen und die Wundheilung beschleunigen.

11.00-13.00 Uhr
Maximalzeit des Herzens: Da das Herz 24 Stunden lang kontinuierlich arbeitet, dienen diese 2 Stunden dem Herzen hauptsächlich als Regenerationszeit und es muss für diesen Zeitraum geschont werden. Für viele Verfechter des Biorhythmus sind körperlicher Einsatz, Stress oder Operationen in dieser Zeit nicht zu verantworten.

13.00-15.00 Uhr
Ein voller Bauch... In dieser Phase benötigt der Dünndarm eine optimale Blutversorgung. Zusätzliche Muskelarbeit ist jetzt nicht angesagt, da die daraus resultierende Blutverlagerung in die Peripherie zu Verdauungsstörungen führt. Das Mittagsschläfchen nach dem Essen oder auch das Schwimmverbot mit vollem Bauch gehen auf diese Tatsache zurück.

15.00-17.00 Uhr
Die Blase arbeitet auf Hochtouren: Innerhalb dieses Zeitraumes wird in der Regel der meiste Urin ausgeschieden.

17.00-19.00 Uhr
Die Nieren sind besonders aktiv

19.00-21.00 Uhr
Der Kreislauf hat sich warm gelaufen: Es ist die Zeit der Erholung und Entspannung der Hauptorgane.

21.00-23.00 Uhr
Regeneration der endokrinen Drüsen

23.00-1.00 Uhr
Maximalzeit der Gallenblase

1.00-3.00 Uhr
Maximalzeit der Leber: Alkohol wird während dieser Zeit gut abgebaut. Ist der Abbau komplett, wachen viele Menschen auf, weil der Zuckerspiegel im Blut durch den Stoffwechselvorgang stark abgenommen hat. Übrigens: Auch die westliche Medizin kennt solch ein Phänomen: So sehen Notärzte Gallenkoliken besonders häufig gegen Mitternacht, Asthmaanfälle in den frühen Morgenstunden und Herzinfarkte am Vormittag.

Biorhythmik als Pseudowissenschaft

Der Begriff Biorhythmus wird auch im Rahmen der Biorhythmik verwendet, einer Pseudowissenschaft, die davon ausgeht, dass das Leben wellenförmig drei unterschiedlich lang dauernden (zwischen 23 und 33 Tagen) Rhythmen unterliegt – dem körperlichen, emotionalen und intellektuellen. Basierend auf dem Geburtsdatum und dem Geschlecht werden so mithilfe von Modellen gute und schlechte Tage errechnet.

Diese spekulative Form der Gesetzmäßigkeiten wurden vom Arzt Wilhelm Fleiß Anfang des 20. Jahrhunderts propagiert und entbehren der wissenschaftlichen Grundlage.

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