Acetylsalicylsäure gegen Kopfschmerzen
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Acetylsalicylsäure

Von: Susanne Köhler
Letzte Aktualisierung: 22.12.2020 - 18:19 Uhr

Der Name ist zwar ein Zungenbrecher, doch der Wirkstoff hat Star-Qualität: Acetylsalicylsäure (ASS). Ob Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Fieber oder ein Kater nach durchzechter Nacht – fast jedem hat ASS schon einmal geholfen. Bereits um 1850 wurde dieser kleine Bruder der Salicylsäure von dem französischen Chemiker Charles Frederick Gerhardt zum ersten Mal hergestellt. Allerdings blieb es den deutschen Chemikern Felix Hoffmann und Heinrich Dreser vorbehalten, der schmerzstillenden Substanz zum entscheidenden Durchbruch zu verhelfen.

Aus ASS wurde Aspirin®

Die lindernde Wirkung der Substanz war zwar schon früh erkannt worden, doch ihre Nebenwirkungen waren verheerend. Durch Verunreinigungen führte die Einnahme zu Verätzungen von Mund und Magenschleimhäuten – ein Problem, das die jungen Bayer-Chemiker Hoffmann und Dreser beseitigten und die Substanz fortan in Pulverform präsentierten.

Zwei Jahre später, 1899, wurde das Präparat Aspirin® der Firma Bayer geboren, das heute zum Synonym für Schmerzmittel allgemein geworden ist.

ASS: Ein Wirkstoff – viele Wirkungen

Der Wirkstoff Acetylsalicylsäure, kurz ASS genannt, wird inzwischen vielfach eingesetzt. Über die schmerzstillende Wirkung hinaus haben Forscher festgestellt, dass der Wirkstoff zur Vorbeugung von Durchblutungsstörungen im Gefäßsystem des Herzens und des Gehirns eingesetzt werden kann.

Die Acetylsalicylsäure vermindert das Auftreten von Thrombosen in den Gefäßen, wirkt also dem Zusammenklumpen von Blutplättchen entgegen. Daher wird das Präparat unter anderem vor langen Flugreisen eingesetzt, um Reisethrombose zu verhindern.

Ein weiteres Einsatzgebiet der ASS ist die Entzündungshemmung. Daher kann der Wirkstoff bei Rheuma und Arthritis eingesetzt werden. Allerdings muss er dafür wesentlich höher dosiert werden und kann entsprechend vermehrt zu Nebenwirkungen wie Blutungen im Magen-Darm-Trakt führen.

Die Wirksamkeit gegen grauen Star schließlich beruht darauf, dass Acetylsalicylsäure diejenigen Protein-Moleküle zerstört, die den Augapfel trübe machen.

Vorbeugende Einnahme von ASS

1985 wurde ASS in den USA für die Notfallmedizin bei akutem Herzinfarkt zugelassen. 1988 sorgte eine amerikanische Studie mit 22.000 Personen für Schlagzeilen: Die tägliche Einnahme von Aspirin bei gesunden Menschen solle das Herzinfarktrisiko um 44 Prozent senken, hieß es in einer Studie der American Heart Association. Das war der Einstieg für Aspirin als "Vorbeuge-Medikament", dessen Einsatz allerdings individuell abgestimmt werden muss. 

Denn die vorbeugende Anwendung von ASS ist sehr umstritten. Gesunden Menschen täglich über einen Zeitraum von mehreren Jahren ein Medikament zu verabreichen – wenn auch nur gering dosiert – kann angesichts der Nebenwirkungen negative Folgen haben. Das Risiko, durch die Nebenwirkungen Schaden zu nehmen, ist bei solch einer dauerhaften Einnahme nicht außer Acht zu lassen.

Auch gegen diverse Krebsarten des Verdauungstraktes, wie beispielsweise Darmkrebs oder Speiseröhrenkrebs, hat ASS erwiesenermaßen eine vorbeugende Wirkung. Doch auch in diesem Kontext ist die vorsorgliche Einnahme über mehrere Jahre aufgrund des Risikos der Entstehung von inneren Blutungen umstritten.

Dosierung von Acetylsalicylsäure

Die Höchstmenge pro Tag sollte drei Gramm nicht übersteigen das entspricht sechs 500 Milligramm-Tabletten. Eine Einzeldosis von zehn Gramm ist lebensbedrohlich, weil dann das Blut zu sauer wird. Dies führt zur Beschleunigung der Atmung und Ankurbelung der Nierenaktivität, was einen gefährlichen Flüssigkeitsverlust zur Folge haben kann. Dann kann es zur Gewebszerstörung und letzten Endes zum Tod kommen.

Die handelsüblichen Dosierungen in Form von Tabletten enthalten 500 Milligramm Wirkstoff, bei Brausetabletten ist die Dosierung mit 400 Milligramm etwas geringer. Kautabletten, die erst seit neuerem auf dem Markt sind, werden ohne Wasser eingenommen und können daher bequem mitgenommen werden.

Acetylsalicylsäure in Kombination mit Koffein und Vitamin C

Daneben werden ASS-Präparate in der Kombination mit anderen Wirkstoffen angeboten, wie zum Beispiel mit Koffein, seit bekannt wurde, dass Koffein die Wirkung von ASS verstärkt.

Auch als Kombinationspräparat mit Vitamin C hat der Wirkstoff eine positive Wirkung auf das Immunsystem des Körpers.

Risiken und Nebenwirkungen von ASS

Acetylsalicylsäure hat auch ihre Nachteile. Empfindliche Menschen reagieren darauf mit Reizungen, Sodbrennen und selten auch mit Blutungen von Magen- und Darmschleimhaut. Werden höhere Dosierungen von ASS eingenommen, erhöht sich das Risiko für stärkere Blutungen beträchtlich.

In seltenen Fällen kann es dann sogar zu einer Eisenmangelanämie kommen, weil das im roten Blutfarbstoff gebundene Eisen durch die Blutungen im Magen verloren geht. Dieser Aspekt ist vor allem deshalb wichtig, weil Acetylsalicylsäure als Wirkstoff nicht rezeptpflichtig ist, sodass Aspirin® und die entsprechenden Präparate anderer Hersteller ohne weiteres frei verkäuflich sind. Eine Kontrolle über eine eventuelle Fehldosierung ist deshalb nur schwer möglich.

Wer ASS regelmäßig ohne Anweisung seines Arztes einnimmt, der sollte ein Einnahmetagebuch führen und dies mit seinem Arzt oder Apotheker besprechen.

Folgen langfristiger Einnahme von ASS

Die längerfristige Einnahme von ASS kann außerdem zu folgenden Nebenwirkungen führen:

Diese Nebenwirkungen verschwinden jedoch, wenn die Dosis reduziert oder das Medikament ganz abgesetzt wird.

Allergie gegen ASS

Auch allergische Reaktionen in Form von Hautausschlägen oder Atemwegsverkrampfungen sind beobachtet worden. Das sogenannte "Aspirin-Asthma" trifft besonders vorbelastete Patienten, die auf den Wirkstoff mit asthma-ähnlichen Atemwegskrämpfen reagieren.

ASS: Für Kinder nicht geeignet

Kinder und Jugendliche mit Fieber und Schmerzen sollten Acetylsalicylsäure nicht einnehmen. Vor allem im Zusammenhang mit viralen Infekten kann es zum lebensbedrohlichen Reye-Syndrom kommen, bei dem Gehirn und Leber schwer geschädigt werden können. Die Erkrankung selbst ist nicht behandelbar, die Therapie beschränkt sich auf die Behandlung der Symptome: Die Leberfunktion wird gestützt und man versucht, den erhöhten Hirndruck durch Medikamente zu senken.

Die genauen Auslöser für diese schwere, nicht ansteckende Erkrankung sind noch nicht bekannt. Forscher vermuten unter anderem eine genetische Veranlagung. Für Kinder und Jugendliche gibt es aber eine Reihe gut verträglicher Mittel wie zum Beispiel Paracetamol, die bei Schmerzen und zur Fiebersenkung eingesetzt werden können.

In der Schwangerschaft auf ASS verzichten

Acetylsalicylsäure sollte in den ersten fünf Monaten einer Schwangerschaft nur nach enger Rücksprache mit einem Arzt eingenommen werden. Ab dem Beginn des sechsten Schwangerschaftsmonats darf ASS nicht mehr angewendet werden, da es zu schwerwiegenden Schäden bei der Mutter oder dem Kind kommen kann. Ein alternatives Schmerzmittel stellt auch hier Paracetamol dar.

Auch während der Stillzeit wird empfohlen, auf ASS vorsorglich zu verzichten, da der Wirkstoff in die Muttermilch übergehen kann.

Weitere Gegenanzeigen von ASS

Der Wirkstoff darf darüber hinaus nicht verabreicht werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen Acetylsalicylsäure oder andere Salicylate
  • akuten Magen- oder Darmgeschwüren
  • erhöhter Blutungsneigung
  • Leber- und Nierenversagen
  • Herzmuskelschwäche
  • Einnahme von Methotrexat

Neue Wege für Acetylsalicylsäure

Wie vielfältig der Wirkstoff einsetzbar ist, hat sich bereits in den letzten Jahren gezeigt. 2004 hat die Europäische Kommission der Bayer HealthCare AG den "Orphan-Drug-Status" für die Acetylsalicylsäure zur Behandlung der Polycythemia vera erteilt. Bei dieser sehr seltenen Krankheit vermehren sich die Blutzellen unkontrolliert. Die Patienten leiden deshalb insbesondere unter Durchblutungsstörungen und Gefäßverschlüssen, bis hin zu frühzeitigem Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Die Fähigkeit der Acetylsalicylsäure, das Verklumpen der Blutplättchen zu hemmen, senkt das Risiko eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls erheblich. Mit ihrer Entscheidung bestätigt die Kommission nach Ansicht des Herstellers, dass durch die zusätzliche Behandlung mit dem Aspirin®-Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) das Risiko der Patienten, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, erheblich gesenkt werden kann.

Der Orphan-Drug-Status kann bei Krankheiten erteilt werden, die so selten sind, dass umfangreiche klinische Studien, wie in der Medizin vorgeschrieben, oft nicht möglich sind. Um auch diesen – wie etwa bei der Polycythemia vera – häufig lebensbedrohlichen Erkrankungen größere medizinische Aufmerksamkeit zu schenken (Orphan = "Waisenkind"), sichert der Orphan-Drug-Status den Herstellern geeigneter Medikamente weitreichende Unterstützung und Zulassungserleichterungen zu.

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