Tramadol gegen Schmerzen am Knie
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Tramadol gegen Schmerzen: Wirkung & Nebenwirkungen

Von: Kathrin Mehner (Medizinredakteurin), Silke Schwertel (geb. Hamann) (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 27.10.2023 - 14:06 Uhr

Tramadol ist ein Schmerzmittel, das zur Behandlung von mittleren und starken Schmerzen eingesetzt wird. Der Wirkstoff bekämpft jedoch nur die Symptome, nicht aber die Ursache der Schmerzen. Tramadol gibt es in vielen Formen: als Tabletten, Kapseln, Tropfen, Lösungen zum Einnehmen, Brausetabletten und Zäpfchen, aber auch als Injektionen und Infusionen. Genau wie andere Medikamente hat auch Tramadol Nebenwirkungen: Besonders beachten sollte man, auch wenn dies relativ selten ist, dass die regelmäßige Einnahme zur Abhängigkeit führen kann. Wir informieren über Wirkung, Dosierung, Anwendung und Nebenwirkungen des Mittels.

Was ist Tramadol?

Tramadol ist ein künstlich hergestellter, verschreibungspflichtiger Wirkstoff und gehört zur Gruppe der opioiden Schmerzmittel. Schwach wirksame Opioide wie Tramadol oder Tilidin dienen zur Behandlung von mittelstarken bis starken Schmerzen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) klassifiziert diese beiden Arzneistoffe gemeinsam mit Codein auf Stufe 2 der Schmerztherapie.

Schwächere Schmerzen werden dagegen mit nicht-opioiden Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure behandelt. Bei starken Schmerzen werden stärkere Opioide wie Morphin, Oxycodon, Burprenorphin und Fentanyl verwendet. Sie gehören zur höchsten Stufe 3. Im Vergleich zu Morphin ist die Wirksamkeit von Tramadol rund sechs- bis zehnmal schwächer – allerdings ist die Wirkweise der beiden Stoffe sehr ähnlich.

In Arzneimitteln findet sich Tramadol in seiner Chlorsalzform Tramadolhydrochlorid. Handelsnamen sind beispielsweise Tramal®, Tramadolor® oder Travex®. Wegen seiner schwächeren Wirksamkeit zählt es in Deutschland nicht zu den Betäubungsmitteln (BtM).

Wirkung gegen Schmerzen: Wie wirkt Tramadol?

Nach der Einnahme entfaltet Tramadol seine Wirkung im Gehirn, indem es dort an den Opioid-Rezeptoren andockt. An diesen Rezeptoren wirken normalerweise körpereigene Botenstoffe, die die Schmerzweiterleitung und -wahrnehmung hemmen. Tramadol ähnelt in seiner Struktur diesen Botenstoffen und kann sich dadurch auch an die Rezeptoren binden. Deswegen werden nach der Anwendung selbst relativ starke Schmerzen nur noch als gering empfunden.

Darüber hinaus verfügt Tramadol aber noch über einen zweiten Wirkungsmechanismus: Der Arzneistoff hemmt im Gehirn nämlich auch die Wiederaufnahme der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin in die Nervenzellen und nimmt auf diese Weise ebenfalls Einfluss auf die Schmerzwahrnehmung.

Im Gegensatz zu einigen anderen Schmerzmitteln wirkt Tramadol weder fiebersenkend noch entzündungshemmend. Um diesen Effekt dennoch zu erzielen, wird es auch in fester Kombination mit Paracetamol verkauft (zum Beispiel in Zaldiar®).

Wie alle opioidartigen Stoffe kann auch Tramadol – insbesondere in Form von Tropfen – euphorisierend wirken. Das Arzneimittel kann aus diesem Grund auch abhängig machen und als Droge missbraucht werden. Das Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial gilt jedoch als weitaus geringer als bei anderen Opiaten.

Wann wird Tramadol angewendet?

Anwendung findet Tramadol als Analgetikum (Schmerzmittel) bei mäßig starken bis starken Schmerzen, wenn schwächere Analgetika nicht helfen. Anwendungsfälle (Indikationen) sind beispielsweise nach einer Operation sowie nach Traumata oder bei orthopädischen Erkrankungen (etwa starke Gelenk- oder Rückenschmerzen). Auch bei neuropathischen Schmerzen (Nervenschmerzen) könnte Tramadol helfen, wenngleich die aktuelle Studienlage dazu bislang keine ausreichend aussagekräftigen Ergebnisse liefert. Daneben wirkt das Arzneimittel antitussiv (hustenstillend).

Im Vergleich zu anderen Opioidanalgetika hat das Mittel den Vorteil, dass die atemdepressive Wirkung (Verflachung des Atems) geringer ist. Dies kann beispielsweise bei Menschen mit Asthma oder COPD von Vorteil sein. Auch Verstopfungen werden weniger stark begünstigt.

Nicht geeignet ist das Mittel als Ersatzdroge für Personen, die von Opiaten abhängig sind, da es die Entzugssyndrome nicht überdecken kann. Aufgrund eines möglichen leistungssteigernden Effekts wurde Tramadol als Dopingmittel eingestuft und bei sportlichen Wettkämpfen ab dem Jahr 2024 verboten.

Wie schnell wirkt Tramadol?

Die Wirkung von Tramadol-Tabletten setzt circa 30 bis 60 Minuten nach der Einnahme ein. Nach einer Injektion erfolgt der Wirkungseintritt bereits nach wenigen Minuten. Die maximale Wirkungsstärke tritt bei Tropfen nach etwa einer Stunde ein, bei Filmtabletten oder Kapseln nach circa zwei Stunden. Retardtabletten oder -kapseln mit verzögertem, gleichmäßigem Wirkungseintritt finden bei chronischen Schmerzen nach einem festen Zeitplan Anwendung.

Die Wirkungsdauer ist unabhängig von der Darreichungsform. Je nach eingenommener Dosis sowie der Stärke der Schmerzen hält die schmerzstillende Wirkung zwischen vier und acht Stunden an.

Dosierung und Anwendung von Tramadol

Die individuelle Dosierung von Tramadol wird vom dem*der behandelnden Arzt*Ärztin in Abhängigkeit von Faktoren wie dem Krankheitsgrad, der empfundenen Schmerzstärke sowie dem Alter und dem Gewicht berechnet. Die Dosis sollte dabei immer so gering wie möglich gewählt werden.

Jugendliche ab zwölf Jahren und Erwachsene erhalten normalerweise eine Einzeldosis von 50 mg bei mittelstarken Schmerzen und 100 mg bei starken Schmerzen. Die Anwendung erfolgt drei- bis viermal täglich mit einem Abstand von vier bis sechs Stunden, wobei dieser Abstand bei älteren Menschen (ab 75 Jahren) eventuell größer sein sollte. Die maximale Tagesdosis beträgt üblicherweise 400 mg, kann aber in Ausnahmefällen (zum Beispiel nach einer Operation oder bei Krebs) überschritten werden.

Kinder zwischen einem und zwölf Jahren erhalten in der Regel eine Einzeldosis von 1 bis 2 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Am Tag darf die Dosis 8 mg pro Kilogramm Körpergewicht und insgesamt 400 mg nicht überschreiten.

Die Anwendung erfolgt unabhängig von den Mahlzeiten.

Vor allem nach längerer Anwendung sollte man das Medikament nicht plötzlich absetzen, um Entzugssymptome zu vermeiden. Stattdessen wird ein langsames Ausschleichen empfohlen.

Nebenwirkungen von Tramadol

Wie bei den anderen Wirkstoffen aus der Gruppe der opioiden Schmerzmittel ist auch die Einnahme von Tramadol mit Nebenwirkungen verbunden. Diese hängen unter anderem von der Dosis und Dauer der Anwendung ab. Zu den häufigsten Nebenwirkungen (bei mehr als einer von zehn Personen) gehören Übelkeit und Schwindel. Bei ein bis zehn von hundert Personen kann es zu Kopfschmerzen, Benommenheit, Erschöpfung, Mundtrockenheit, Erbrechen, Verstopfungen und Schwitzen kommen. Bei Beschwerden wie Schwindel, Sehstörungen und Schläfrigkeit sollte man nach der Anwendung des Arzneimittels nicht Auto fahren.

Gelegentlich (also bei einer bis zehn von 1.000 Personen) hat das Mittel auch Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System: Es können Nebenwirkungen wie Herzklopfen, beschleunigter Herzschlag, Kreislaufschwankungen oder Kreislaufzusammenbruch auftreten. Ebenso kann es gelegentlich zu Durchfall, Brechreiz, Magenbeschwerden, Hautausschlag und Juckreiz kommen.

Nur selten – das bedeutet bei einer bis zehn von 10.000 behandelten Personen – treten nach der Verwendung von Tramadol dagegen Nebenwirkungen wie Störungen der Atmung infolge einer allergischen Reaktion oder Schockreaktionen auf.

Weitere seltene Nebeneffekte sind unter anderem:

  • ein verlangsamter Herzschlag oder Blutdruckanstieg
  • Missempfindungen der Haut
  • Zittern (Tremor) oder Muskelzuckungen
  • verschwommene Sicht
  • Appetitveränderungen
  • Nebenwirkungen der Psyche, wie Wahnvorstellungen, Verwirrtheit oder Albträume

Erhöhungen der Leberenzymwerte gelten als sehr selten.

Weitere mögliche Nebenwirkungen

Vor allem zu Beginn der Therapie kann es zu einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) kommen, auch wenn kein Diabetes mellitus vorliegt. Zudem senkt das Medikament (vor allem mit steigender Dosis) die Krampfschwelle, was zu epileptischen Anfällen führen kann. Auch schlafbezogene Atmungsstörungen mit nächtlichen Atemaussetzern (zentrale Schlafapnoe) gehört zu den möglichen Folgen der Anwendung.

Eine weitere mögliche Folge von Opioidanalgetika ist eine umkehrbare Unterfunktion der Nebennieren (Nebenniereninsuffizienz), die sich unter anderem durch niedrigen Blutdruck, extreme Müdigkeit, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust äußern kann.

Die Wirkung von Tramadol erfordert ein Enzym mit dem Namen CYP2D6, das in der Leber gebildet wird. Manche Menschen metabolisieren (verstoffwechseln) dieses Enzym sehr langsam, Tramadol wirkt daher bei ihnen nicht ausreichend. Andere (hierzulande schätzungsweise bis zu 6,5 Prozent der Bevölkerung) metabolisieren es extrem schnell. Bei ihnen besteht die Gefahr eines schnell steigenden Wirkspiegels, was eine Opioidvergiftung zu Folge haben kann. Anzeichen einer solchen Vergiftung sind Verwirrtheit, kleine Pupillen und eine flache Atmung. Diese Symptome können auch bei einer Überdosierung auftreten, ebenso wie Krampfanfälle, Erbrechen, Bewusstlosigkeit, Kreislaufkollaps und Aussetzen der Atmung.

Vor der Einnahme des Mittels sollten Sie sich in jedem Fall über mögliche Nebenwirkungen informieren lassen und die Packungsbeilage genau lesen.

Risiko der Abhängigkeit gering

Als selten gelten die Fälle, in denen die Einnahme von Tramadol zur psychischen oder körperlichen Abhängigkeit führt. Dazu kommt es vor allem dann, wenn das Mittel über einen längeren Zeitraum eingenommen wird. Auch nach einer längeren Einnahme gilt das Risiko, abhängig zu werden, als relativ gering. Dies ist allerdings in den letzten Jahren zunehmend umstritten, da neuere Studien nahelegen, dass das Risiko des Suchtpotenzials bislang unterschätzt wurde.

Liegt eine Abhängigkeit vor, können nach dem Ende der Behandlung Entzugserscheinungen wie Schwitzen und Frieren, Nervosität, Missempfindungen sowie Magen-Darm-Beschwerden auftreten.

Tramadol: Wechselwirkungen

Tramadol darf nicht mit anderen Opioidanalgetika, Schlaf- und Beruhigungsmitteln oder Alkohol kombiniert werden, da sich die Substanzen in ihrer dämpfenden Wirkung gegenseitig verstärken können. Dies kann eine lebensbedrohliche Atemdepression (Atemstillstand) zur Folge haben.

Zudem ist zu beachten, dass das Epilepsie-Medikament Carbamazepin sowie Ondansetron gegen Übelkeit die Wirksamkeit von Tramadol herabsetzen.

Darüber hinaus sollte Tramadol auch nicht mit Arzneistoffen, die die Schwelle für epileptische Anfälle herabsetzen, kombiniert werden. Zu diesen Medikamenten zählen unter anderem Neuroleptika, trizyklische Antidepressiva sowie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. In Kombination mit Letzteren, aber auch mit MAO-Hemmern zur Behandlung einer Depression oder anderen Antidepressiva kann in seltenen Fällen auch ein Serotonin-Syndrom auftreten. Dabei kann eine übermäßige Serotoninausschüttung potenziell lebensbedrohliche Folgen haben.

Ebenso ist Vorsicht geboten, wenn blutverdünnende Medikamente eingenommen werden, denn der Wirkstoff hat auch einen Einfluss auf die Blutgerinnung. Werden gleichzeitig Vitamin-K-Antagonisten eingenommen, kann dies zu einer Steigerung der Blutungsneigung führen – dann sollten die INR-Werte zur Messung der Blutgerinnungsfunktion regelmäßig kontrolliert werden.

Bei der Einnahme des Pilzmittels Ketoconazol sowie des Makrolid-Antibiotikums Erythromycin könnte es zu Wechselwirkungen kommen, die genauen Effekte sind jedoch noch nicht bekannt.

Kontraindikatoren: Wann sollte man Tramadol nicht anwenden?

Das Schmerzmittel darf nicht verwendet werden, wenn zuvor große Mengen an Alkohol, Psychopharmaka, Schlafmitteln oder anderen Schmerzmitteln eingenommen wurden. Eine weitere Kontraindikation stellt zudem die Einnahme von MAO-Hemmern innerhalb der vergangenen zwei Wochen dar, da es ansonsten zu lebensgefährlichen Nebenwirkungen kommen kann.

Bei Epilepsie sollte – vor allem, wenn die Erkrankung nicht unter Kontrolle ist – auf die Einnahme von Tramadol verzichtet werden. Denn regelmäßig und in höheren Dosen eingenommen, kann der Wirkstoff das Risiko für einen Epilepsieanfall erhöhen. Zudem kann es, wie bereits erwähnt, bei der gleichzeitigen Anwendung von Medikamenten gegen Epilepsie zu Wechselwirkungen kommen.

Tramadol darf nicht angewendet werden, wenn eine Überempfindlichkeit gegen die Substanz vorliegt.

Liegt eine eingeschränkte Leber- oder Nierenfunktion vor, sollte Tramadol nur nach ärztlicher Rücksprache eingenommen werden. Gleiches gilt bei Bewusstseinsstörungen, bei Störungen der Atmung, bei Schockzuständen sowie bei Erkrankungen des Gehirns und einem erhöhten Hirndruck.

Bei Menschen, bei denen eine Überempfindlichkeit gegen Opioide vorliegt oder die zu Medikamentenmissbrauch neigen, sollte Tramadol ebenfalls erst nach einer ausführlichen ärztlichen Beratung angewendet werden.

Tramadol in der Schwangerschaft

Während der Schwangerschaft sollte Tramadol möglichst nicht verwendet werden. Vor allem, wenn das Schmerzmittel regelmäßig eingenommen wird, kann es beim Neugeborenen zu Entzugssymptomen kommen. Sollte während der Schwangerschaft eine Behandlung mit opioiden Analgetika unumgänglich sein, sollte diese auf einzelne Einnahmen von Tramadol beschränkt sein.

Auch während der Stillzeit sollte der Wirkstoff möglichst nicht eingenommen werden. Da aber nur sehr geringe Mengen des Mittels in die Muttermilch übergehen, kann nach einer einmaligen Einnahme von Tramadol trotzdem weiterhin gestillt werden.

Was ist bei Kindern zu beachten?

Bei Kindern zwischen ein und zwölf Jahren sollte Tramadol nur in Form von Tropfen verwendet werden, da in dieser Form auch eine niedrige Dosis verabreicht werden kann. Die Gabe von Tabletten und Zäpfchen wird erst für Kinder ab zwölf Jahren empfohlen. Bei Atemproblemen dürfen Kinder kein Tramadol anwenden.

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