Misophonie: Wenn Geräusche die Psyche belasten

Lärm macht krank. Bei Misophonie ist allerdings nicht die Lautstärke das Problem. Manche Geräusche lösen bei Betroffenen großen Stress aus. Die Trigger sind vielfältig: Kauen, Atmen, Rascheln oder Absätze auf Asphalt. Betroffene erleben beim Zuhören Ekel, Wut und Aggression oder reagieren sogar mit körperlichen Symptomen.

Frau hält sich die Ohren zu, weil sie unter Misophonie leidet.
© Getty Images/Aleksander Kaczmarek

Für viele Menschen geht es langsam, aber sicher vom Home-Office zurück ins Büro. Für viele ist das eine Erleichterung, für Menschen mit Misophonie kann dieser Wechsel zurück in den "normalen" Arbeitsalltag jedoch eine Belastung darstellen. Besonders in großen Büros und der Kantine sind Betroffene den als störend empfundenen Geräuschen ausgesetzt. Rückzugsmöglichkeiten gibt es oft keine.

Misophonie: Woher kommt der Hass auf Geräusche?

Die Ursachen für die Geräusch-Intoleranz sind bisher unklar, doch wird vermutet, dass ein Zusammenhang mit schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit besteht, bei welchen das Geräusch vernommen wurde. Auch deutet einiges darauf hin, dass emotionale Kontrollmechanismen bei einer Misophonie gestört sind.

Forschung gibt es bisher wenig zu dem Phänomen, Misophonie gilt als keine anerkannte psychische Krankheit. Auch sind sich Fachleute bislang uneinig, ob es sich dabei um eine psychische oder neurologische Reaktion handelt.

Jedoch berichten viele Menschen von ihren Erfahrungen und ihrem Ekel vor bestimmten Geräuschen. Der Leidensdruck ist sehr unterschiedlich und auch davon abhängig, inwieweit sich Trigger-Situationen entzogen werden kann.

Keine Posttraumatische Belastungsstörung

Auch bei Menschen mit anderen psychischen Erkrankungen, etwa einer posttraumatischen Belastungsstörung, können Geräusche zu negativen Gefühlen sowie körperlichen Symptomen führen. Meist wird dann jedoch Angst oder Panik empfunden, nicht Wut und Ekel. Auch kommt es oft zu weiteren Fehldiagnosen wie ADHS, Hyperakusis (Geräuschempfindlichkeit) oder Phobien.

Misophonie tritt oftmals schon sehr früh auf: Kinder sind auch von dem Phänomen betroffen, es kann zu Problemen in der Schule kommen. Manchmal entsteht die Misophonie auch erst im Erwachsenenalter.

Misophonie: Tipps für den Alltag

Wer unter Misophonie leidet, meidet oftmals bestimmte Situationen. Ganz kann man einige Geräusche jedoch nicht umgehen.

Diese Tipps helfen bei Misophonie:

  • Darüber sprechen: Wer unter Misophonie leidet, profitiert oftmals davon, dem Umfeld sein Leiden und die damit verbundenen Emotionen zu schildern. Werden etwa Kaugeräusche als Trigger empfunden und wird daraufhin sozial unangemessen auf Essen im Büro reagiert, kann das zu Spannungen führen. Spricht man darüber und erklärt, dass es nichts mit der essenden Person per se zu tun hat, entspannt dies das Umfeld und vermeidet Konflikte.
  • Geräuschunterdrückende Kopfhörer: Wen die Geräusche im Umfeld stark emotional belasten, dem können gute Noise-Cancelling-Kopfhörer helfen. Sie blenden alle Geräusche aus.
  • Pausen organisieren: Essensgeräusche machen Ihnen zu schaffen? Vermeiden Sie die gemeinsame Mittagspause in der Kantine. Essen Sie an einem ruhigen Ort und genießen Sie die Ruhe. Eine Pause soll Kraft spenden und keine Energie rauben. Bei sozialem Druck, gemeinsam zu essen, sollte man die Misophonie bestenfalls thematisieren. Wer auf die Pause mit den Kolleg*innen nicht verzichten möchte, kann kreativ werden. Ein gemeinsamer Spaziergang nach dem Mittagessen umgeht die unangenehmen Essgeräusche und trotzdem wird Zeit zusammen verbracht.
  • Stress reduzieren: Bei vielen Menschen wird die Geräusch-Intoleranz größer, je schlechter es ihnen generell geht. Ist der Stress in Beruf oder Familie groß, dann wirken auch die Trigger heftiger. Deshalb ist ein gutes Stressmanagement wichtig im Umgang mit der Misophonie. Autogenes Training, progressive Muskelentspannung, ein heißes Bad am Abend oder Yoga können helfen.
  • Für Eltern: Leidet das Kind unter Misophonie, ist es wichtig, die Emotionen ernst zu nehmen und das Kind im Umgang damit zu unterstützen. Um Probleme in der Schule zu vermeiden, sollten die Lehrkräfte miteinbezogen werden, so können gemeinsam passende Lösungen gefunden werden. Viele Schulen verfügen über Noise-Cancelling-Kopfhörer, auch eigene können in vielen Fällen mitgebracht werden. Auch für Schulpausen lassen sich meist gute Lösungen und Strategien finden.

Aktualisiert: 04.08.2021
Autor*in: Olivia Romano, Medizinredakteurin