Hände halten rote Schleife als HIV-Symbol
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AIDS und HIV

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 22.08.2019 - 17:01 Uhr

Seit 1981 ist der Erreger bekannt, der HIV und AIDS verursacht. Mittlerweile gehen Forscher davon aus, dass das HI-Virus bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts sein Unwesen treibt, entstanden aus einer von Affen auf den Menschen übertragenen Virusart. Während in Deutschland 2015 rund dreitausend Neuansteckungen gemeldet wurden, sind weltweit über 36 Millionen Menschen mit HIV infiziert.

Zwar ist HIV mittlerweile therapierbar, ein Mittel zur Heilung ist jedoch noch nicht in Sicht. Viele Betroffene leben nach einer Ansteckung mit dem HI-Virus mehrere Jahre ohne größere Beschwerden, bis bei ihnen AIDS ausbricht. 

HIV schwächt das Immunsystem

Anfang der 80er Jahre häuften sich die Berichte über Patienten mit ähnlichen Symptomen: Sie litten an vielerlei Krankheiten, die vom Immunsystem gesunder Menschen normalerweise abgewehrt werden. So traten schwere Lungenentzündungen oder ungewöhnliche Krebsformen wie das Kaposi-Sarkom auf.

Im Jahr 1982 bekam die Krankheit ihren Namen: AIDS, die Abkürzung für "Acquired Immune Deficiency Syndrome" (erworbenes Immunschwäche-Syndrom). Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits in 14 Ländern diagnostiziert worden.

Drei Jahre später gelang es, das auslösende Virus zu finden, ein Jahr später wurde es auf den Namen "Humanes Immundefizienz-Virus" (HIV) getauft. Weltweit waren bereits Tausende Infizierte bekannt und etliche davon schon verstorben. 

Mit der Entdeckung des Virus war die Hoffnung groß, bald eine Behandlung gefunden zu haben. Doch erst Mitte der 90er Jahre wurde eine Kombitherapie entwickelt – die half, jedoch nicht heilte. Seitdem hat die Forschung große Fortschritte gemacht; allerdings ist bis heute kein Heilmittel gefunden worden. Doch zumindest ist die Lebensqualität und -erwartung von an HIV Erkrankten um ein Vielfaches besser als in den Anfangszeiten.

Übertragung des HI-Virus

Das HI-Virus ist, so vermuten die Forscher, ein Verwandter des "Simian Immunodeficiency"-Virus (SIV), der Schimpansen und Affen befällt. Vermutlich wurde das Virus durch den Verzehr von Affenfleisch auf den Menschen übertragen und hat sich dort zum HIV gewandelt. 

Übertragen wird das Retro-Virus von Mensch zu Mensch über die Schleimhäute durch den Austausch von Körperflüssigkeiten (Blut, Sperma, Scheidenflüssigkeit, Muttermilch), insbesondere beim ungeschützten Sexualkontakt, durch den gemeinsamen Gebrauch von Spritzen oder (vor allem in der Anfangszeit) durch verunreinigte Blutkonserven.

Theoretisch besteht auch beim Oralverkehr oder beim Zungenkuss eine Ansteckungsgefahr, das Risiko wird aber heute von den Wissenschaftlern praktisch als nahezu Null eingeschätzt. Händeschütteln, Umarmen, das gemeinsame Benutzen von Geschirr, Bad oder Toilette sind dagegen ungefährlich. Das Virus überlebt außerhalb des menschlichen Körpers nur für kurze Zeit.

HIV – oft lange keine Symptome und Beschwerden

Das HI-Virus dockt an ein Eiweiß (CD4-Protein) bestimmter Körperzellen an, schleust sich in die Zelle ein und versteckt sich dort in der DNA, dem "Speicher" für das menschliche Erbgut – dieser Vorgang wird auch als "Reverse Transkription" bezeichnet. In der Wirts-DNA kann es lange unentdeckt verweilen. Dies ist auch der Grund, warum viele Infizierte monate- oder sogar jahrelange nicht von ihrer Krankheit wissen. 

HIV benutzt die Wirtszelle dazu, um die eigenen Erbinformation immer wieder zu kopieren, neue Eiweiße zu produzieren und so zusammenzuschneiden, dass ein neues Virus entsteht. Dieses kann sich von der Wirtszelle abschnüren und zu neuen Zellen aufbrechen, diese ebenfalls infizieren und so den beschriebenen Kreislauf potenzieren.

Da vor allem bestimmte körpereigenen Abwehrzellen das Eiweiß CD4 besitzen, an dem das Virus andockt, sind vor allem diese Helfer-Lymphozyten von der Vireninvasion betroffen. Das wiederum führt zu den typischen Zeichen beim Ausbruch von AIDS, dem Vollbild der HIV-Infektion: Symptome durch Krankheiten, die dadurch entstehen, dass das Immunsystem nicht richtig arbeitet. Die befallenen Abwehrzellen werden nämlich zerstört oder können ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen, da ihre Kraftwerke von den Viren zu deren Reproduktion missbraucht werden.

Verlauf einer HIV-Infektion

Der Verlauf einer HIV-Infektion gliedert sich in drei Abschnitte mit unterschiedlichen Symptomen:

  1. Primäre Phase
  2. Latenzphase
  3. AIDS-Stadium

Primäre Phase mit grippeähnlichen Symptomen

Nach einer Erstinfektion treten die Symptome erst einige Tage bis Wochen nach Übertragung des Virus auf und dauern bis zu 2 Wochen an. Sie werden oft mit einer Grippe verwechselt, da allgemeine Abgeschlagenheit, Fieber, Nachtschweiß, Appetitverlust sowie Lymphknotenschwellungen und Hautausschlag auftreten.

In dieser Phase vermehren sich die Viren im Blut extrem schnell, das heißt, dass der Infizierte sehr ansteckend ist.

Latenzphase – Anzahl der Viren sinkt

Während der Latenzphase versucht das Abwehrsystem zunächst mit der Vireninvasion fertig zu werden. Die Anzahl der Viren ("Viruslast") im Blut sinkt massiv. Die Betroffenen leben teilweise Jahre, ohne Beschwerden zu spüren. Allerdings ist das HIV nicht untätig, sondern vermehrt sich kontinuierlich.

Deshalb sinkt nach und nach die Anzahl der CD4-Helferzellen, sodass die Leistungsfähigkeit des Immunsystems stetig abnimmt. Wird die Infektion nicht erkannt und das Virus nicht mit Medikamenten eingedämmt, geht die HIV-Infektion in das AIDS-Stadium über.

AIDS-Stadium: opportunistische Infektionen

Das AIDS-Stadium ist gekennzeichnet durch "opportunistische Infektionen", also Infektionen durch Bakterien, Pilze oder Viren, die beim Gesunden kaum Krankheiten hervorrufen. Typisch sind zum Beispiel die Lungenentzündung durch Pneumocystis-Carinii (PCP) oder eine Toxoplasmose des Gehirns.

Im Blut zeigt sich dieses Stadium der Immunschwäche durch den Abfall der CD4-Zellen und den Anstieg der Virenzahl.

Behandlung von HIV

Auch wenn die HIV-Infektion nach wie vor nicht geheilt werden kann, kann mit einer frühzeitig begonnenen Therapie der Ausbruch des AIDS-Stadiums verhindert oder zumindest über Jahre herausgezögert werden. Deshalb ist bereits bei dem geringsten Verdacht auf eine mögliche Infektion ein HIV-Test sinnvoll – auch wenn keinerlei Symptome bestehen.

Die Therapie erfolgt mit antiretroviralen Medikamenten (antiretrovirale Therapie / ART), eine Impfung ist nach wie vor nicht in Sicht. Die medikamentöse Therapie kann an verschiedenen Punkten des viralen Zyklus eingreifen. Für eine optimale Wirkung werden verschiedene Wirkstoffe (meist mindestens drei) miteinander kombiniert.

So wird das Virus am Eindringen in die Zelle gehindert, sein Einbau in die Wirts-DNS mittels der Reverse-Transkriptase auf verschiedene Arten behindert und die Eiweißproduktion für das Kopieren und Zusammenschneiden des Virus-Erbguts gehemmt. Weitere Angriffspunkte sind in der Erprobung.

Ziel ist, die Virusvermehrung zu minimieren, also das Virus so weit in Schach zu halten, dass es die Funktion der Abwehrzellen nicht beeinträchtigt. Das HI-Virus vollständig aus dem Körper zu entfernen, ist derzeit nicht möglich. Deshalb muss nach heutigem Wissensstand die Therapie lebenslang aufrechterhalten werden.

Wichtig ist die regelmäßige und genaue Einnahme der Tabletten nach Vorgabe, da ansonsten das HIV resistent und damit die Medikamente wirkungslos werden können. Der Therapiebeginn richtet sich nach der Zahl der Viren und der CD4-Helferzellen im Blut.

Nebenwirkungen der HIV-Therapie

Nebenwirkungen der Kombinationstherapie sind vielfältig und vom Wirkstoff und von der individuellen Reaktion der Betroffenen abhängig. Oft nur vorübergehend und gut behandelbar sind Durchfall und Kopfschmerzen. Besonders in den ersten zwei Wochen der Therapie sind akute Nebenwirkungen nicht selten.

Als typische Langzeitfolgen der HIV-Behandlung treten schmerzhafte Nervenentzündungen (Neuropathien) an Armen und Beinen sowie Störungen des Fettstoffwechsels und der Fettverteilung auf. Dabei bildet sich im Gesicht, an den Armen und Beinen Unterhautfettgewebe zurück, während es sich am Bauch und im Nacken vermehrt einlagert. Daneben kann es auch zu Organschädigungen, zum Beispiel der Leber kommen. 

Weitere Nebenwirkungen der HIV-Therapie sind: 

Um die Wirksamkeit der HIV-Therapie nicht durch einen Abbruch aufgrund der verschiedenen Nebenwirkungen zu gefährden, muss der Arzt die Kombination der Medikamente oft umstellen.

Ernährung bei HIV und AIDS

Auch die richtige Ernährung kann bei der Behandlung von HIV und AIDS eine Rolle spielen und sich positiv auf das Immunsystem auswirken, während Mangelernährung die Entwicklung der AIDS-Symptome begünstigen kann. Besonders im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung ist das sogenannten Wasting-Syndrom typisch, welches mit einer erheblichen Gewichtsabnahme, Durchfällen und/oder Fieber einhergeht.

Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Erbrechen, Schluckstörungen, allgemeine Schwäche oder Infektionen im Mundraum können zu einer verminderten Nahrungsaufnahme führen. Die Folge ist ein deutlicher Gewichtsverlust. Zur Stabilisierung des Gewichts ist mitunter eine künstliche Ernährung mit einer Sonde nötig.

Zur Vorbeugung ist es ratsam, in jeder Phase der Erkrankung auf ausreichendes Essen (insbesondere die Energie- und Proteinversorgung) und eine ausgewogene, gesunde Ernährung zu achten:

  • Mehrere kleine Portionen am Tag sind ratsam, vor allem bei Appetitlosigkeit.
  • Bei Durchfall und Erbrechen ist der Ausgleich von Wasser-, Vitamin- und Mineralstoffverlusten unbedingt zu empfehlen.
  • Bei Kau- und Schluckbeschwerden können die Speisen püriert werden.
  • Pfefferminztee kann bei einem trockenen Mund helfen.
  • In Absprache mit dem Arzt können Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden, um dem erhöhten Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen (insbesondere Vitamin A, C und E sowie Zink und Selen) gerecht zu werden.
  • Auf ungewaschenes Obst und Gemüse sowie auf Lebensmittel mit rohem Ei, Fisch oder Fleisch sollten Betroffene von HIV oder AIDS besser verzichten, um einer Infektion mit Salmonellen oder Toxoplasmen vorzubeugen.