Multiorganversagen durch COVID-19
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Multiorganversagen bei COVID-19: Ursachen und Symptome

Von: Caroline Stuhlert (Ärztin), Jasmin Rauch (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 09.11.2021 - 16:05 Uhr

Das Coronavirus SARS-CoV-2 sorgt für viel Aufregung und Angst. Unsicherheit entsteht vor allem durch die unterschiedlichen Verläufe der Erkrankung, die von häufig mild verlaufenden Symptomen bis zum künstlichen Koma oder in einigen Fällen sogar bis zum Tod reichen können. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei COVID-19 kommt meist sehr plötzlich und erfordert ein sofortiges Erkennen der Symptome und entsprechendes Handeln. Gefürchtet ist neben der häufig vorkommenden Lungenentzündung das sogenannte Multiorganversagen, dessen Definition, Auswirkungen und Behandlungsmöglichkeiten wir im Folgenden näher erläutern.

Was bedeutet Multiorganversagen?

Multiorganversagen bedeutet, dass mehrere Organe gleichzeitig oder nacheinander ihre Aufgabe im Körper nicht mehr erfüllen können. Es handelt sich also um einen akut lebensbedrohlichen Zustand für den Betroffenen.

Festgestellt wird ein Multiorganversagen mithilfe von Blutwerten, anhand derer Aussagen über den Grad der Organfunktion getroffen werden können. Zu den häufig betroffenen Organen zählen:

Die Ursachen für ein multiples Organversagen sind vielfältig. Sie reichen von Vergiftungen oder einer Sepsis und Blutverlust bis hin zu allergischen Reaktionen und Infektionen.

Symptome: Multiorganversagen erkennen

Die Symptome sind bei einem Multiorganversagen abhängig von den jeweils betroffenen Organen. Häufig kommt es auch zu einer Kettenreaktion, bei der ein Organausfall den Verlust von weiteren Organen herbeiführt. Das Multiorganversagen endet nicht selten tödlich und erfordert daher eine frühe Erkennung und eine schnelle intensivmedizinische Versorgung.

Dabei werden die sogenannten Vitalfunktionen kontinuierlich geprüft und geben Informationen über Bewusstsein, Atmung und Kreislauffunktion der betroffenen Person. Zu den Vitalfunktionen zählen:

Bisherige Daten deuten darauf hin, dass das sogenannte Hyperinflammationssyndrom (also eine schwere Entzündungsreaktion im Körper), das zu einem Multiorganversagen führen kann, bei Betroffenen mit COVID-19 im Schnitt etwa 8 bis 15 Tage nach Erkrankungsbeginn auftritt.

Behandlung: Was tun bei Multiorganversagen?

Häufige angewendete Therapien in der Versorgung des Multiorganversagens sind die Verabreichung von Medikamenten sowie sogenannte Organersatzverfahren, wie beispielsweise die Dialyse. Fällt die Funktion der Lunge vollständig aus, kann als letzte Instanz ein Lungenersatzverfahren angewendet werden, die sogenannte ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung). Diese wird jedoch nur in spezialisierten Zentren durchgeführt und ist eher selten erforderlich.

Die meisten Betroffenen mit einer Corona-Infektion und Atemwegsbeschwerden benötigen lediglich eine Unterstützung und Entlastung der Lungen. Diese wird zunächst mit nicht-invasiven Beatmungsmethoden herbeigeführt. Sollte dies nicht ausreichen, kann die nächste Stufe in Form der invasiven Atemunterstützung erfolgen.

Prognose bei Multiorganversagen

In manchen Fällen führt ein Multiorganversagen nach nur kurzer Dauer zum Tod. Insgesamt ist ein Multiorganversagen mit einer hohen Sterblichkeit (Letalität) verbunden.

Wichtig ist in jedem Fall, dass eine möglichst schnelle Behandlung erfolgt, da es sich um einen medizinischen Notfall handelt. Multiorganversagen tritt allerdings in der Regel bei Personen auf, die bereits im Krankenhaus behandelt werden. Auch wenn ein Multiorganversagen überstanden wird, bleiben häufig Folgeschäden zurück.

Was sind mögliche Ursachen eines Multiorganversagen durch COVID-19?

Multiples Organversagen bei einer Corona-Infektion ist mutmaßlich auf das sogenannte Hyperinflammationssyndrom zurückzuführen. Dabei handelt es sich um eine überschießende Reaktion des Immunsystems, bei der sehr viele immunologische Botenstoffe (Zytokine) freigesetzt werden. Aus diesem Grund fällt im Zusammenhang mit dem Hyperinflammationssyndrom auch häufig das Wort "Zytokinsturm". Die Verbreitung der Coronaviren im Körper selbst ist zu diesem Zeitpunkt nach bisherigem Kenntnisstand weniger wichtig für die Entwicklung von Beschwerden als die körpereigene Reaktion des Immunsystems.

Im Rahmen der Hyperinflammation kommt es zu Entzündungsprozessen im gesamten Organismus. Damit ähnelt das Hyperinflammationssyndrom in seinem Krankheitsbild einer Sepsis. Diese Entzündungsprozesse können das Gewebe von Organen schädigen. Vermutlich werden dabei insbesondere die Endothelzellen geschädigt, die die Gefäße von innen auskleiden und die Mikrozirkulation (Durchblutung kleinster Gefäße) im Körper gewährleisten. Eine Entzündung sämtlicher Endothelzellen im Körper wird auch als systemische Endotheliitis bezeichnet.

Stirbt das Gewebe durch die Schädigung ab, werden die betroffenen Organe nicht mehr richtig durchblutet. Dies führt letztendlich zum Organversagen.

Besonders gefährdet sind dabei zentrale Organe wie Herz, Lunge und Nieren. In der Folge kommt es wie bei einer Kettenreaktion zu Störungen in der Mikrozirkulation, die zu Schädigungen weiterer Organe führen.

Stärker durch das Virus gefährdet sind Menschen mit Vorerkrankungen am Gefäßsystem wie Bluthochdruck oder koronarer Herzkrankheit sowie Menschen mit Lungenerkrankungen wie COPD. Diese Erkrankungen sind häufig chronisch und schädigen die Endothelzellen durch verschiedene Mechanismen. Bestehen bereits Vorschädigungen an den Gefäßen, ist der Verlauf der Virusinfektion oftmals deutlich schwerwiegender und kann auch zu einem tödlichen Multiorganversagen führen.

COVID-19 kann Nervensystem beeinträchtigen

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie warnt zusätzlich vor Komplikationen des Nervensystems durch eine Infektion mit SARS-CoV-2. Es sind Verläufe ohne Atemwegsbeschwerden beschrieben, bei denen sich trotzdem eine Entzündung in den Endothelzellen im Gehirn, den Hirnhäuten oder dem Nervenwasser zeigte. Auch hier ist vermutlich eine überschießende Immunreaktion für die Entzündungsprozesse verantwortlich.

Können sich die Endothelzellen wieder erholen?

Inwiefern die Zellen sich nach einer überstandenen Infektion regenerieren können, ist noch nicht eindeutig geklärt. Eine Studie aus den USA, bei der das Lungengewebe von 19 verstorbenen COVID-19-Patient*innen untersucht wurde, gibt Hinweise darauf, dass sich Zellen, die durch das Hyperinflammationssyndrom geschädigt wurden, auch schlechter regenerieren können.

Auch Betroffene mit Geruchs- oder Geschmacksverlust berichten teilweise von langanhaltenden Störungen, was ebenfalls für eine länger andauernde Regenerationsphase spricht. Umfassendere wissenschaftliche Studien mit einer größeren Zahl von untersuchten Proben zu diesem Thema stehen aber noch aus.

Insgesamt ist der Kenntnisstand deshalb immer noch nicht eindeutig. Es kann zwar zu bleibenden Schäden kommen, die lebenslänglich eine unterstützende Therapie erforderlich machen. Eine Ausheilung des betroffenen Gewebes ist jedoch auch möglich.

Die Folgen sind also weiterhin schwer vorhersehbar und von vielen Faktoren abhängig. Dazu zählen unter anderem die sogenannte Viruslast, das heißt, wie viele Viren im Körper vorhanden sind, ebenso wie Vorerkrankungen, das Alter oder der Zugang zu Therapien sowie das Ansprechen auf die Therapie.

Kann man ein Multiorganversagen durch Corona verhindern?

Eine Therapie des Coronavirus SARS-CoV-2 kann bisher nur symptomatisch erfolgen, das heißt es gibt noch kein Medikament, welches direkt gegen den Erreger wirkt. Ausführliche Informationen über den derzeitigen Stand der Suche nach einer geeigneten Behandlung mit Medikamenten erhalten Sie in diesem Artikel.

Bei Personen, die künstlich beatmet werden müssen, kommt das Glukokortikoid Dexamethason zum Einsatz. Dieses wirkt entzündungshemmend und immunsuppressiv und soll damit Entzündungsprozesse durch das Hyperinflammationssyndrom abmildern. Dexamethason konnte die Sterblichkeit bei Patient*innen mit COVID-19 auch nachweislich herabsetzen.

Grundsätzlich erhalten Personen mit schweren Verläufen eine intensivmedizinische Behandlung. Diese umfasst eine tägliche Kontrolle der Blutwerte, Verwendung von Blutverdünnern, um eine Thrombose zu verhindern und eine Unterstützung des Flüssigkeits- und Ernährungshaushaltes des Körpers.

Je nach Organ und Ausmaß der Schädigung können zusätzlich auch Organersatzverfahren oder eine Narkose beziehungsweise ein künstliches Koma erforderlich werden. Letzteres kann dazu beitragen, die Körperfunktionen zu verlangsamen und so auch die Ausbreitung der Entzündung zu stoppen.

COVID-19: Woran sterben die meisten Betroffenen?

Ein Multiorganversagen ist nur bei den wenigsten Menschen, die an einer COVID-19 Infektion sterben, auch die Todesursache. Obduktionen verstorbener COVID-19-Patient*innen konnten zeigen, dass in vielen Fällen Lungenembolien die Todesursache waren. Das sind Blutgerinnsel, die in die Lunge gelangen und akutes Herz-Kreislauf-Versagen auslösen. Durch den Einsatz von Gerinnungshemmern hat sich die Zahl der Lungenembolien durch COVID-19 jedoch mittlerweile reduziert.

Daneben traten auch Herzinfarkte häufiger auf, da das Herz bei Atemnot, wie sie im Rahmen einer Corona-Infektion auftreten kann, häufiger schlagen muss, um den Körper mit Sauerstoff zu versorgen. Gerade bei Betroffenen mit Vorerkrankungen kann dies das Herz zu stark belasten.

Eine sehr häufige Ursache für einen tödlichen Ausgang der Virusinfektion ist zudem eine Mangelversorgung des Körpers mit Sauerstoff infolge der Lungenentzündung. Entzündetes Lungengewebe kann Sauerstoff schlechter aufnehmen. Ist bei einer akuten Infektion die Lunge so stark betroffen, dass der Körper nicht mehr mit ausreichend Sauerstoff versorgt werden kann, muss die betroffene Person mit externer Hilfe beatmet werden. Die Beatmungstherapie ist jedoch nicht ohne Nebenwirkungen.

Normalerweise strömt Luft in die Lunge, weil diese sich aufdehnt und daraus ein Druckunterschied entsteht, durch den die Luft gewissermaßen eingesaugt wird. Da man für die Beatmung aber in Narkose versetzt wird, muss die Luft mit erhöhtem Druck in die Lunge gepresst werden, um eine Aufdehnung der Lunge zu bewirken. Um die Sauerstoffversorgung zu verbessern, wird für die Beatmung die Luft zudem meist noch mit Sauerstoff angereichert.

Der Überdruck und ein zu hoher Sauerstoffgehalt können die Lunge je nach Dauer der Beatmung neben der bestehenden Entzündung weiter schädigen. Das Ausmaß der Schädigungen ist entscheidend für die Prognose und mögliche Langzeitschäden. Bei starken Schäden und Entzündungen bleiben mit höherer Wahrscheinlichkeit Narben im Lungengewebe zurück, welches dann nicht mehr die volle Funktion des alten Gewebes hat. Vernarbtes Lungengewebe kann Sauerstoff nicht mehr so gut aufnehmen.

Beatmung nicht immer möglich

Bedingt die Infektion eine Mikrozirkulationsstörung, findet kein Sauerstoffaustausch in der Lunge mehr statt. Der zugeführte Sauerstoff kann dann nicht mehr weiter transportiert werden und wird daher auch dem Blutkreislauf nicht zugeführt. Bei diesen Personen können auch Beatmungsgeräte nicht helfen.

Eine Infektion mit dem Coronavirus kann starke gesundheitliche Beschwerden auslösen oder bestehende Beschwerden verschlimmern, was im schlimmsten Fall zum Tod führen kann. Fakt ist zudem, dass Betroffene mit Vorerkrankungen am Gefäßsystem ein deutlich erhöhtes Risiko haben, ein Multiorganversagen zu erleiden. Da ein Organversagen ohne sofortige medizinische Behandlung schwerwiegende Folgen haben und zur Ausbreitung auf weitere Organe führen kann, ist das Sterblichkeitsrisiko unter dieser Personengruppe deutlich erhöht.

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