Frau mit Störung der Schilddrüsenfunktion
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Störungen der Schilddrüsenfunktion

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 29.04.2019 - 11:27 Uhr

Die schmetterlingsförmige Schilddrüse nimmt Jod aus dem Blut auf und produziert daraus lebenswichtige Hormone für den Körperstoffwechsel. Eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse bringt dieses Zusammenspiel aus dem Gleichgewicht. Lesen Sie hier mehr über Ursachen, Symptome und Behandlung einer Schilddrüsenunter- beziehungsweise Schilddrüsenüberfunktion.

Aufgaben der Schilddrüsenhormone

Die Schilddrüsenhormone Trijodthyronin und Thyroxin haben wichtige Funktionen im Körper. Sie steigern den Grundumsatz, wodurch Herzarbeit, Körpertemperatur und Sauerstoffverbrauch in den Geweben steigen. Sie erhöhen die Empfindlichkeit für das Stresshormon Adrenalin und unterstützen den Eiweißaufbau in den Muskeln. Außerdem werden Wachstum und Reifung des zentralen Nervensystems gefördert, was besonders in Schwangerschaft und Kindheit wichtig ist.

Ihre Produktion unterliegt – wie die anderer Hormone – einem Regelkreis. Ist ihre Konzentration im Blut zu niedrig, schickt die obere Regulationsbehörde im Hypothalamus des Gehirns den Botenstoff TRH zur Hypophyse, die ein anderes Hormon, das Thyreotropin (TSH) ausschüttet. Nach etwa 10 Sekunden erreicht dieses die Schilddrüse mit der Botschaft, Hormone zu produzieren, beziehungsweise bereits vorhandene, in den Depots der 3 Millionen Schilddrüsenfollikel gelagerte Hormone ins Blut abzugeben.

Die Organisation dieses Prozesses in der Schilddrüse dauert etwa 20 Minuten, dann befinden sich die Schilddrüsenhormone im Blut auf dem Weg zu ihren Bestimmungsorten. Ein weiteres, in der Schilddrüse gebildete Hormon ist Kalzitonin, das neben einigen anderen an der Regulation des Blutkalziumspiegels beteiligt ist.

Schilddrüsenfunktion: genug, zu viel, zu wenig Hormone

Es gibt eine Vielzahl von Krankheiten oder Veränderungen, die die Schilddrüsentätigkeit beeinflussen. So können zum Beispiel akute oder chronische Entzündungen, Vergrößerungen der Schilddrüse (Kropf, beziehungsweise Struma), Autoimmunkrankheiten, wie Morbus Basedow oder die Hashimoto-Thyreoiditis, oder Krebserkrankungen der Schilddrüse selbst ihre Funktion beeinflussen. Aber auch Störungen in den Steuerzentren, zum Beispiel durch einen Gehirntumor, können sich auf die Schilddrüse auswirken.

  • Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose): Die Ursache einer gesteigerten Produktion und Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen liegt fast immer in der Schilddrüse selbst. Manchmal entwickeln sich in ihr an einer Stelle oder diffus Bezirke, die unabhängig vom Regelkreis Hormone produzieren (Schilddrüsenautonomie). Sind diese Bereiche zu groß oder zu aktiv, reicht die Herunterregulierung der gesunden Bezirke nicht mehr aus, um den erhöhten Anfall an Hormonen auszugleichen.
    Eine weitere, recht häufige Ursache ist die Basedow-Krankheit, eine Autoimmunerkrankung, bei der im Körper Substanzen gebildet werden, die wie TSH wirken und so die Schilddrüse zur Produktion unabhängig vom Bedarf animieren. Auch am Beginn einer Schilddrüsenentzündung, als Folge eines Schilddrüsentumors oder einer Überdosierung von Schilddrüsenhormon-Tabletten (die gefährlicherweise manchmal auch als Abführmittel genommen werden) kann es zu einer Überproduktion von Schilddrüsenhormonen kommen.
  • Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose): Ein Mangel an Schilddrüsenhormonen kann angeboren sein (Kretinismus), bedingt durch mütterlichen Jodmangel in der Schwangerschaft oder eine fehlerhafte Anlage der Schilddrüse. Auch Entzündungen, Operationen und Radiojodtherapien der Schilddrüse sowie Medikamente können zu einer Unterfunktion führen. Bei bestimmten Gehirntumoren kann die Ausschüttung des Thyreotropins und somit die der Schilddrüsenhormone vermindert sein. Solche Störungen, bei denen die Ursache nicht direkt in der Schilddrüse selbst liegt, bezeichnet man auch als sekundäre Hypothyreosen.

Wie äußern sich Funktionsstörungen?

Es liegt auf der Hand, dass Beschwerden und Symptome durch die verstärkten oder ausbleibenden Hormonwirkungen zustande kommen. Bei der Überfunktion steigern sich die normalen Wirkungen von T3 und T4 zu einem ungesunden Ausmaß, bei der Unterfunktion treten gegenteilige Effekte auf. Die Wirkungen sind vielfältig, allerdings unspezifisch und im Alter oft weniger stark ausgeprägt.

  • Schilddrüsenüberfunktion: Bei vielen Betroffenen ist die Schilddrüse vergrößert. Typisch sind ein schneller und unregelmäßiger Puls, Zittern der Hände, Wärmeempfindlichkeit und eine Neigung zum Schwitzen. Die Haut ist eher warm und feucht, und als Zeichen gesteigerter Stoffwechselaktivität ist der Stuhlgang häufig und weich, es kommt zu Gewichtsverlust trotz Appetitszunahme und zu Haarausfall. Die Muskeln können schmerzen, bei Frauen treten oft Zyklusstörungen auf. Die Betroffenen sind nervös und reizbar und leiden unter Schlaflosigkeit. Ist eine Basedow-Krankheit die Ursache, können auch Sehstörungen und Augenveränderungen ("glotzender Blick" mit hervortretenden Augen) auftreten.
  • Schilddrüsenunterfunktion: Ein Mangel an Schilddrüsenhormonen führt zu verlangsamtem Puls und Herzvergrößerung, Kälteempfindlichkeit, verringertem Appetit und Gewichtszunahme. Die Haut ist kühl und trocken, das Haar wird dünn und struppig, die Stimme heiser und rau. Oft sind die Cholesterinwerte im Blut erhöht. Auch hier kann es zu Menstruationsstörungen kommen. Die Betroffenen wirken häufig verlangsamt und träge oder depressiv, was besonders bei älteren Menschen zu einer Fehldiagnose führen kann.
    Die angeborene Hypothyreose verursacht Intelligenzstörungen und Entwicklungsverzögerungen, Gang- und Haltungsstörungen, Minderwuchs und Fehlbildungen im Gesicht. Die Babys sind trink- und bewegungsfaul und leiden unter Verstopfung. Dieses Krankheitsbild ist in den Industrieländern durch die Überwachung und Jodgabe in der Schwangerschaft sowie dem Screening-TSH-Test bei der Früherkennungsuntersuchung nach der Geburt glücklicherweise recht selten geworden.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Zunächst wird der Arzt die Krankengeschichte erheben und die Schilddrüse abtasten, um zu prüfen, ob sie vergrößert oder knotig verändert ist. Weitere Aussagen zur Größe und Beschaffenheit liefert der Ultraschall, evtl. lässt sich dabei auch eine Gewebeprobe entnehmen.

Wichtig ist die Untersuchung nach Hormonveränderungen im Blut. Je nach vermuteter Ursache lassen sich im Blut auch weitere Hormone und evtl. ihre Ausschüttung nach Stimulation sowie Antikörper gegen das Schilddrüsengewebe bestimmen. Stoffwechselaktivität und Funktion der Schilddrüse kann mittels Szintigraphie eingeschätzt werden, bei der radioaktiv markierte Substanzen gespritzt werden und ihre Einlagerung in das Schilddrüsengewebe mit speziellen Kameras aufgenommen und farbig dargestellt wird.

Welche Therapie gibt es?

  • Die Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Möglichkeiten sind Medikamente, die die Funktion hemmen (Thyreostatika), Operationen zum Beispiel die Entfernung betroffener Areale oder die Radiojodtherapie, bei der radiaktiv behandeltes Jod gegeben wird, das zum Absterben von Schilddrüsengewebe führt.
  • Bei der Unterfunktion müssen lebenslang künstliche Schilddrüsenhormone in Tablettenform eingenommen werden. Es wird mit einer geringen Dosis begonnen, die langsam gesteigert wird. Haben sich die Hormonwerte im Blut normalisiert, muss sich der Patient einmal jährlich bei seinem Arzt vorstellen.

Eine ausreichende Therapie und gute Einstellung der Hormone ist bei beiden Krankheitsbildern extrem wichtig. Sonst kann es in bestimmten Situationen wie bei schweren Erkrankungen oder Operationen zu einem lebensbedrohlichen Zustand kommen ( "thyreotoxischen Krise" bzw. "Myxödemkoma"), der selbst unter intensivmedizinsicher Betreuung zum Tod führen kann. Deshalb sollten die Betroffenen ihre Medikamente zuverlässig einnehmen und regelmäßig ihren Arzt aufsuchen.

Wie kann man vorbeugen?

Um einer Schilddrüsenvergrößerung durch Jodmangel vorzubeugen, ist eine ausreichende Jodversorgung über die Ernährung wichtig. Jodsalz und Seefisch sind gute Quellen. Evtl. kann Jodid auch in Form von Tabletten eingenommen werden, insbesondere in Schwangerschaft und Stillzeit. Das sollten Sie jedoch mit Ihrem Arzt abklären.

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