Paranüsse mit Selen
© Getty Images/Russ Witherington / EyeEm

Selen: Symptome von Mangel und Überdosierung

Von: Dagmar Reiche (Ärztin und Medizinautorin), Jasmin Rauch (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 22.09.2022 - 12:42 Uhr

Selen ist ein Mineralstoff, der zahlreiche wichtige Aufgaben erfüllt. Selen hat im menschlichen Körper eine ähnliche Funktion wie das Vitamin E, da es die Zellen vor Schädigungen durch freie Radikale schützt. Aus diesem Grund ist Selen auch als Nahrungsergänzungsmittel beliebt. Es kann aber auch über die Nahrung aufgenommen werden. Welche Wirkung hat Selen im Körper genau, durch welche Symptome äußern sich ein Mangel oder eine Überdosierung und welche Lebensmittel enthalten Selen?

Was ist Selen?

Selen gehört zur Gruppe der Mineralstoffe und wird zu den essentiellen Spurenelementen gezählt. Es wurde wegen seines silbrig-grauen Glanzes nach der griechischen Mondgöttin Selene benannt und 1817 durch den schwedischen Chemiker Jöns Jakob Berzelius entdeckt. Dass es auch im menschlichen Körper vorkommt, wurde erst 1975 festgestellt.

Der Bestand von Selen im Körper liegt bei etwa 10 bis 15 Milligramm. Ein großer Teil davon ist in den Muskeln enthalten, daneben steckt es vor allem in Leber, Nieren und Herz. Selen wird in den oberen Dünndarmabschnitten aufgenommen und vor allem über den Urin ausgeschieden.

Gesundheitliche Wirkung von Selen

Selen ist Bestandteil wichtiger Enzyme und hilft (in Form des Enzyms Glutathionperoxidase) den Körperzellen bei der Abwehr aggressiver Stoffwechselprodukte, den sogenannten freien Radikalen. In dieser Funktion gehört es – wie die Vitamine A, C und E – zu den sogenannten Antioxidantien. Die freien Sauerstoffradikale entstehen bei nahezu allen Stoffwechselvorgängen und können, wenn sie im Übermaß vorhanden sind, die Körperzellen und das darin enthaltene Erbgut (DNA) schädigen.

Außerdem hat Selen bei Männern Einfluss auf die Fruchtbarkeit, da bestimmte Bausteine der Spermienproduktion davon abhängen. Darüber hinaus schützt Selen den Körper auch vor giftigen Schwermetallverbindungen (Kadmium, Blei, Arsen, Quecksilber), indem es diese Stoffe an sich bindet.

Auch einige Enzyme, die die Produktion von Hormonen in der Schilddrüse steuern, sind in ihrer Funktion abhängig von dem Mineralstoff. Häufig diskutiert wird deshalb der Einsatz von Selen-Präparaten bei entzündlichen Erkrankungen der Schilddrüse (Hashimoto-Thyreoiditis, Morbus Basedow). Die Selengabe soll dann das Allgemeinbefinden und manche der Beschwerden verbessern. Wissenschaftliche Belege für diese Annahme gibt es aber bisher nicht.

Schützt Selen vor Krebs?

In den 1960er Jahren kamen einige Studien zu dem Ergebnis, dass eine erhöhte Selenzufuhr über die Nahrung gegebenenfalls vor Krebserkrankungen schützen könnte. Allerdings handelte es sich dabei um reine Beobachtungsstudien in Gebieten mit selenreicher Ernährungsweise, das heißt, es fand keine gezielte Kontrolle der Untersuchungsbedingungen durch die Forschenden statt. Weitere Faktoren, wie die Lebensweise der Studienteilnehmenden oder die sonstige Ernährung, wurden nicht bewertet. Die Aussagekraft solcher Studien ist deshalb sehr begrenzt.

Eine aktuelle, umfassende Analyse verschiedener Studien mit insgesamt 27.000 Teilnehmenden zur potenziellen, krebsvorbeugenden Wirkung des Mineralstoffes zeigt nun ganz klar: Es gibt keinerlei Hinweise, dass die vermehrte Aufnahme von Selen vor Krebserkrankungen schützen kann.

Abwehrkräfte und Immunsystem

Selen hat einen positiven Effekt auf das Immunsystem. In Form von Nahrungsergänzungsmitteln wird es häufig in Kombination mit Zink zur Stärkung der Abwehrkräfte im Handel angeboten.

Ein optimal eingestellter Selenspiegel soll sich auch bei Betroffenen mit HIV, allergischem Asthma oder rheumatischen Erkrankungen positiv auf die Gesundheit auswirken.

Tagesbedarf an Selen

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt auf Grundlage von Schätzungen für Frauen ab 15 Jahren eine tägliche Selenzufuhr von 60 Mikrogramm, für Männer ab 15 Jahren 70 Mikrogramm – die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegen mit 55 Mikrogramm etwas darunter.

Bei Schwangeren ist der Tagesbedarf lediglich minimal erhöht. Stillende Frauen sollten dagegen etwa 75 Mikrogramm Selen pro Tag zu sich nehmen.

Selenmangel: Böden in Deutschland selenarm

In vielen Regionen Europas, so auch in Deutschland, enthalten die Böden nur wenig Selen – unter anderem bedingt durch die Nachwirkungen des mit Schwefeldioxid belasteten sauren Regens sowie schwefelhaltige Düngemittel. Statt Selen wird dann von den Pflanzen Schwefel aufgenommen.

Wegen der großen Unterschiede im Selengehalt der Böden schwankt auch der Selengehalt in Nutzpflanzen sehr stark. Tierische Proteine sind deshalb in selenarmen Anbaugebieten meist bessere Selenquellen als pflanzliche Lebensmittel. Denn das Spurenelement wird oft dem Viehfutter beigefügt – auch, weil die Tiere dadurch weniger krankheitsanfällig sind.

Manche Forschende stufen Deutschland als Selenmangelgebiet ein, denn häufig bleibt die tatsächliche Selenaufnahme hinter der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zurück.

Ein Selenmangel wird über das Blutserum bestimmt. Bei Erwachsenen spricht man bei weniger als 50 Mikrogramm pro Liter von einem suboptimalen Selenstatus. Liegt ein Selenmangel vor, können Nahrungsergänzungsmittel zum Ausgleich eingesetzt werden.

Ursachen und Betroffene eines Mangels an Selen

Zu einem Selenmangel kann es aus unterschiedlichen Gründen kommen:

  • Betroffen von einem Selenmangel sind in vielen Fällen Personen, die zum einen mit ihrer Nahrung wenig Selen aufnehmen: Dazu gehören Menschen, die sich zu einseitig vegan ernähren, Personen mit insgesamt einseitiger oder mangelhafter Ernährung, mit Sondennahrung ernährte Menschen und Dialysepatient*innen. Auch Alkoholmissbrauch kann zu einem Selenmangel führen.
  • Auch kann ein Selenmangel entstehen, wenn das Spurenelement vermehrt ausgeschieden wird: Dies kann bei lang anhaltenden Durchfällen, aber auch über den Urin bei Diabetes mellitus oder schweren Nierenerkrankungen geschehen.
  • Magen-Darm-Erkrankungen (zum Beispiel chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa) können zu einer gestörten Selenaufnahme führen.
  • Ein erhöhter Selenbedarf kann in der Schwangerschaft, bei starken Monatsblutungen und während der Stillzeit bestehen. Auch bei Krebserkrankungen "verbraucht" der Körper mehr Selen.

Selenmangel: Symptome

Welche Folgen ein Selenmangel haben kann, ist noch nicht endgültig erforscht. In extremen Selenmangelgebieten Chinas und Zentralafrikas wurden schwerste Herzmuskelerkrankungen und Erkrankungen der Gelenke beobachtet. Allerdings ist nach wie vor nicht geklärt, ob diese sogenannte Keshan-Krankheit und die Kashin-Beck-Krankheit tatsächlich Folgen eines Selenmangels sind oder ob andere Auslöser vorliegen.

Neuere Untersuchungen lassen außerdem einen Zusammenhang zwischen niedrigen Selenwerten und Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen sowie der Entstehung einer Arteriosklerose vermuten. Auch gibt es Hinweise darauf, dass ein Mangel an Selen die Fruchtbarkeit beeinträchtigen kann: Frauen, die Fehlgeburten erlitten, wiesen extrem niedrige Blutspiegel des Spurenelements auf. Bei Männern mit einem Selenmangel kann die Reifung und Beweglichkeit der Spermien gestört sein. Darüber hinaus können das Immunsystem und die Muskelfunktion beeinträchtigt sein.

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Symptome bei einer Überdosierung von Selen

Selen hat in höheren Konzentrationen giftige Wirkungen. Normalerweise scheidet der Körper deshalb überschüssiges Selen mit dem Urin aus. Werden allerdings über einen längeren Zeitraum regelmäßig größere Mengen, zum Beispiel durch die unnötige oder übermäßige Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, zugeführt, kann es zu Beschwerden kommen.

Mögliche Folgen sind Müdigkeit, Übelkeit, Durchfall, Gelenkschmerzen und Nervenstörungen. Im weiteren Verlauf dieser Selenvergiftung, der sogenannten Selenose, kann es zu Haarausfall, Ausfall der Nägel, Leberschädigungen, Herzmuskelschwäche und einem typischen Geruch des Atems nach Knoblauch kommen. Auch Gedächtnisstörungen und Probleme mit den Augen in Form von Sehstörungen können bei einer Überdosierung auftreten. Eine akute Selenvergiftung kann zum Tod führen.

Erwachsene sollten daher, laut Empfehlungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), eine tägliche Zufuhr von 300 Mikrogramm Selen nicht überschreiten. Für Kinder gilt in Abhängigkeit von Alter und Körpergewicht als Referenzwert für eine tägliche Höchstzufuhr eine Menge von 60 bis 250 Mikrogramm. Selenhaltige Nahrungsergänzungsmittel sollten nur bei diagnostiziertem Selenmangel und keinesfalls ohne ärztliche Rücksprache eingenommen werden.

Gehalt von Selen in Lebensmitteln

Im Folgenden ist beispielhaft der Selengehalt einiger Lebensmittel pro 100 Gramm aufgeführt:

  • Paranüsse: 103 Mikrogramm
  • Makrele: 39 Mikrogramm
  • Champignons: 7 Mikrogramm
  • Roggenbrot: 3 Mikrogramm
  • Joghurt: 1,5 Mikrogramm
  • getrocknete Linsen: 9,9 Mikrogramm

Gute Selenquellen sind tierisches und pflanzliches Eiweiß. Beispiele für besonders selenhaltige Lebensmittel sind Innereien, Fleisch und Fisch, Getreide, Nüsse (vor allem Paranüsse) und Hülsenfrüchte sowie Steinpilze.

Bevorzugen Sie beim Kauf Produkte aus biologischer Landwirtschaft – da dort keine schwefelhaltigen Düngemittel verwendet werden, enthalten sie mehr Selen.

Zusätzlich empfiehlt sich die Aufnahme von Nahrung mit einem hohen Gehalt an den Vitaminen A, C und E, da diese die Bioverfügbarkeit von Selen im Körper verbessern.

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