Frau mit Kurzdarmsyndrom hält sich den Bauch
© Getty Images/Kannika Paison

Kurzdarmsyndrom: Ursachen, Ernährung und Lebenserwartung

Von: Andreas Willett (Student der Humanmedizin)
Letzte Aktualisierung: 11.02.2025

Das Kurzdarmsyndrom (KDS) ist eine seltene Erkrankung, die infolge von chirurgischen Eingriffen oder seltener auch durch angeborene Defekte des Dünndarms oder einen anderweitig entstandenen Funktionsverlust auftreten und erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen nehmen kann. In diesem Artikel erfahren Sie die Ursachen des Kurzdarmsyndroms und lernen neben den typischen Symptomen und der Diagnostik mehr zum Verlauf und Umgang mit dieser Erkrankung und wie diese die Lebenserwartung beeinflusst.

Was ist das Kurzdarmsyndrom?

Die normale Länge des Dünndarms beträgt circa fünf bis sechs Meter. Er erfüllt wichtige Aufgaben bei der Aufnahme von Nährstoffen, Vitaminen und Mineralien. In der Regel sind seine Funktionen auch nach einer darmverkürzenden Operation gewährleistet. Das Kurzdarmsyndrom tritt auf, wenn so große Abschnitte des Dünndarms entfernt wurden, dass nur noch rund ein Viertel bis die Hälfte erhalten bleibt.

Durch diese Verkleinerung der Fläche kann die Fähigkeit des Körpers zur Aufnahme von Nährstoffen, Elektrolyten und Flüssigkeit über den Darm erheblich beeinträchtigt sein, da über den Dickdarm lediglich Wasser und Mineralien aufgenommen werden. In der Folge kann es zu erheblichen gesundheitlichen Problemen kommen, die unter anderem Mangelernährung und Dehydration (Wassermangel) umfassen. Bei vielen Betroffenen ist vorübergehend, bei manchen auch lebenslang, eine künstliche Ernährung erforderlich.

Was sind die Ursachen des Kurzdarmsyndroms?

Zur Ausbildung eines Kurzdarmsyndroms kommt es in der Regel nur nach der Entfernung (Resektion) von sehr großen Teilen des Dünndarms. Hierfür kann es verschiedene Gründe geben. Neben Krafteinwirkungen von außen (wie zum Beispiel durch Autounfälle, Stürze oder Stichverletzungen) und Darmkrebs kommen auch schwere Schleimhautschädigungen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa sowie ein akuter Verschluss der darmversorgenden Gefäße (Mesenterialinfarkt) infrage. Darüber hinaus können Darmfisteln (krankhafte Verbindungen zwischen dem Dünndarm und anderen Darmabschnitten oder anderen Bauchorganen) und Bewegungsstörungen des Darms, wie zum Beispiel ein Darmverschluss (Ileus), umfassende operative Eingriffe erforderlich machen.

Bei Kindern stehen in der Regel andere Ursachen bei der Entstehung des Krankheitsbilds im Vordergrund:

  • angeborene Fehlbildungen des Magen-Darm-Traktes (zum Beispiel Meckel-Divertikel)
  • Durchblutungsstörungen des Dünndarms (Ischämie)
  • nekrotisierende Enterokolitis, eine entzündliche Darmerkrankung
  • Darmverdrehung (Volvulus)
  • chronische Entzündungen im Darm durch den Verzehr von Gluten (Zöliakie)

Seltener kann es auch ohne operative Eingriffe zu einem Kurzdarmsyndrom kommen. So kann der Dünndarm im Rahmen einer Bestrahlungstherapie, beispielsweise bei Behandlung einer Tumorerkrankung wie Darmkrebs, geschädigt werden, sodass die Schleimhaut ihre Funktion verliert. Normalerweise ist sie für die Aufnahme von Flüssigkeit, Nährstoffen und Mineralstoffen zuständig. Da der Darm in diesem Fall nicht tatsächlich verkürzt ist, sondern lediglich der funktionierende Anteil reduziert wird, spricht man auch von einem "funktionellen Kurzdarmsyndrom". Dieses ist jedoch deutlich seltener als ein Kurzdarmsyndrom infolge von chirurgischen Eingriffen.

Symptome: Wie äußert sich das Kurzdarmsyndrom?

Die Symptome des Kurzdarmsyndroms sind vielfältig und können sich je nach betroffener Person unterscheiden. Durch die Verkürzung des Darms und die damit einhergehende verminderte Darmoberfläche können Nahrungsmittel nur unzureichend verwertet werden. Die Folgen sind ein Nährstoff-, Elektrolyt- und Mineralstoffmangel sowie eine verminderte Aufnahme von Flüssigkeit. Insbesondere Fette und Gallensalze (die für den Fettstoffwechsel wichtig sind) werden schlecht aufgenommen, auch die Vitaminaufnahme ist stark eingeschränkt.

In der Folge kann es zu vielfältigen Symptomen kommen, beispielsweise:

  • Durchfall (Diarrhö)
  • Fettstühle (Steatorrhö = unzureichende Fettaufnahme, wodurch Nahrungsfette unverdaut wieder ausgeschieden werden)
  • Gasansammlung im Bauchraum (Meteorismus) und Blähungen
  • Bauchkrämpfe
  • Gewichtsverlust (durch unzureichende Nährstoffaufnahme)
  • Müdigkeit und Schwäche (insbesondere durch den Mangel an Vitaminen und Mineralien)

Zudem können sich im Verlauf weitergehende Zeichen einer Mangelernährung ausbilden: Durch die unzureichende Aufnahme von Energie und Nährstoffen über die Nahrung kommt es nicht nur zu einem erheblichen Gewichtsverlust, sondern langfristig auch zu einem Verlust der kognitiven Funktionen, also beispielsweise Störungen der Konzentration, der Wahrnehmung und des Erinnerungsvermögens. Die Folgen von Mangelernährung erfordern eine umfassende und intensive Behandlung.

Darmversagen als Komplikation

Nach einem darmverkürzenden Eingriff kann es zu ausgeprägten Funktionsstörungen des Darms kommen. Die schlimmste Form ist das Darmversagen. Dabei ist der Darm nicht nur eingeschränkt, sondern überhaupt nicht mehr in der Lage, den Körper mit Nährstoffen und Flüssigkeit zu versorgen. Zu einem solchen Darmversagen kann es akut kommen, es sind jedoch auch chronische Verläufe möglich, die eine langfristige parenterale, also künstliche Ernährung, erfordern.

Beim Darmversagen durch das Kurzdarmsyndrom unterscheidet man folgende Typen:

  • Typ 1 (akutes Darmversagen): Das Darmversagen ist auf wenige Tage nach der Operation beschränkt und regeneriert sich innerhalb dieser Zeit eigenständig.
  • Typ 2 (verlängertes akutes Darmversagen): Es kommt zu Stoffwechselkomplikationen, eine Mangelernährung kann sich ausbilden. Eine umfassende Ernährungstherapie ist erforderlich, die Regenerierung kann bis zu 24 Monate dauern.
  • Typ 3 (chronisches Darmversagen): Eine langfristige parenterale Ernährung (eine Form der künstlichen Ernährung) und Flüssigkeitsaufnahme ist erforderlich.

Welche Komplikationen können noch auftreten?

Kommt es zu ausgeprägtem und anhaltendem Durchfall, kann es durch den Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten zu erheblichen Gefahren kommen. Neben einer Abnahme der Körperflüssigkeit (Dehydratation) aufgrund des Durchfalls stellen insbesondere Elektrolytentgleisungen (eine Veränderung der im Blut gelösten Salze, wie Kalium oder Natrium) lebensgefährliche Ausnahmesituationen dar, die eine dringende Therapie erfordern.

Weitere Komplikationen sind nachfolgend aufgelistet:

  • Gallensteinleiden (Cholelithiasis) durch die verringerte Aufnahme von Gallensäuren und damit Abnahme der Gallensäurekonzentration in der Gallenflüssigkeit
  • Nierensteinleiden (Nephrolithiasis) durch geringere Bildung von Calciumoxalat im Darm und dadurch verstärkte Aufnahme von Oxalat
  • sekundäre (also in der Folge einer anderen Grunderkrankung auftretende) Laktoseintoleranz durch den Mangel des Enzyms Laktase
  • bakterielle Fehlbesiedlung des verbliebenen Dünndarms nach Entfernung der Ileozäkalklappe (aus Schleimhaut bestehende Klappe zwischen Dünndarm und Blinddarm)

Wie wird ein Kurzdarmsyndrom diagnostiziert?

Die Diagnose Kurzdarmsyndrom wird durch Spezialist*innen, meist aus dem gastroenterologischen Bereich, gestellt. Nach der Entfernung von Dünndarm-Teilen geschieht dies routinemäßig. Mit weitergehenden Untersuchungen kann so das Ausmaß der Einschränkungen festgestellt werden.

Beim Vorliegen anderer Ursachen wird während einer klinischen Untersuchung eine ausführliche Anamnese erhoben. Das heißt, es werden Fragen zur Krankengeschichte gestellt (beispielsweise, ob und welche Eingriffe stattgefunden haben und welche Beschwerden vorliegen).

Ergänzend kommen bildgebende Verfahren zum Einsatz: Ultraschall, CT- oder MRT-Scans können helfen, die Darmlänge zu messen und Veränderungen zu erkennen. Mithilfe von Blutuntersuchungen können der Nährstoffstatus und der Wassermangel (Dehydratation) eingeschätzt und der Umfang einer möglichen Mangelernährung beurteilt werden.

Wie wird das Kurzdarmsyndrom behandelt?

Medikamente können beim Kurzdarmsyndrom helfen, die Symptome zu lindern. Insbesondere bestimmte Mittel gegen Durchfall und zur Förderung der Nährstoffaufnahme werden von vielen Betroffenen genutzt.

Es stehen zudem Medikamente zur Verfügung, die die Darmbewegungen reduzieren und somit die Verweildauer der aufgenommenen Nahrung im Darm verlängern können. Gängige Wirkstoffe sind Loperamid und N-Butylscopolamin. Diese sollten jedoch behutsam eingenommen werden, da sie die Entstehung eines Darmverschlusses (Ileus) begünstigen können.

Darüber hinaus ist eine Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren (Pantoprazol, Omeprazol) empfohlen, da es im Rahmen des Kurzdarmsyndroms häufig zu einer überschießenden Produktion von Magensäure kommt. Durch die Einnahme von Pankreasenzymen zu den Mahlzeiten kann insbesondere die Verdauung und Verträglichkeit von Fett erheblich verbessert werden. Ein sekundär auftretender Laktasemangel wird mit der Gabe von Laktase zu den Mahlzeiten behandelt.

Zahlreiche weitere Medikamente befinden sich derzeit in klinischer Prüfung, weshalb davon auszugehen ist, dass in den nächsten Jahren weitere medikamentöse Therapiemöglichkeiten hinzukommen werden.

Parenterale Ernährung in schweren Fällen

In schweren Fällen kann eine parenterale Ernährung erforderlich sein. Bei dieser Form der künstlichen Ernährung werden Nährstoffe über eine Vene zugeführt. Dies geschieht häufig durch einen sogenannten Port (also einem unter der Haut liegenden dauerhaften Zugang) oder einen zentralen Venenkatheter. Bei einer verbleibenden Restlänge des Dünndarms von unter einem Meter ist in der Regel eine lebenslange parenterale Ernährungs- und Substitutionstherapie notwendig.

Einige Patient*innen benötigen darüber hinaus einen Schlauch, der chirurgisch in den Magen (Gastrostomie) oder den Dünndarm (Jejunostomie) eingeführt wird und es ermöglicht, Nahrung oder Medikamente direkt zuzuführen, insbesondere wenn die Darmfunktion eingeschränkt ist. In schweren Fällen ist es darüber hinaus notwendig, einen künstlichen Darmausgang (Stoma) zu legen, mit dem sich die Nahrungsaufnahme und -ausscheidung regulieren lassen.

Viele Betroffene tragen die Infusionspumpe und die Nährlösung in einem speziellen Rucksack mit sich, sodass sie trotz der Infusion mobil leben können.

Die richtige Ernährung: Was hilft beim Kurzdarmsyndrom?

Das Kurzdarmsyndrom ist derzeit nicht heilbar, jedoch gibt es verschiedene therapeutische Ansätze, die die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern können. Ein wichtiger Schritt sind besondere Ernährungsmaßnahmen, die eingehalten werden sollten, sofern keine parenterale Ernährung notwendig ist:

  1. Die Anpassung der Ernährung an die verringerte Resorptionsfähigkeit des Darms ist der wichtigste Schritt in der Therapie. Viele Betroffene benötigen spezielle Diäten, die arm an bestimmten Ballaststoffen, genauer Faserstoffen wie Zellulose, sind und leicht verdauliche Nährstoffe enthalten. Die Nahrungsaufnahme sollte auf zahlreiche kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt werden. Darüber hinaus sollte die Trinkmenge während der Mahlzeit reduziert oder nach Möglichkeit ganz vom Essen entkoppelt werden. So wird die Menge an Flüssigkeit, die gleichzeitig mit der Nahrung aufgenommen wird, deutlich verringert und die Speisen verbleiben länger im Darm. Auf Kohlensäure sowie Alkohol sollte verzichtet werden.
  2. Die verringerte Vitaminaufnahme sollte durch die Einnahme entsprechender Präparate ausgeglichen werden. Neben den fettlöslichen Vitaminen (Vitamin A, Vitamin D, Vitamin E, Vitamin K) betrifft dies insbesondere Vitamin B12. Dieses wird vor allem im unteren Dünndarmabschnitt, dem Ileum, aufgenommen. Fehlt dieser, ist eine hochdosierte künstliche Zufuhr wichtig, da es bei einem Mangel zu vielseitigen Symptomen kommen kann. Dazu zählen neben Nervenschädigungen und neurologisch-psychiatrischen Störungen wie Sehnervenstörungen, Depressionen, Psychosen und Demenz auch Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems oder Impotenz. Auch bestimmte Elektrolyte (Magnesium und Calcium) sowie Spurenelemente (Eisen, Zink und Selen) sollten eingenommen werden.

Im Idealfall sollte eine umfassende Beratung durch eine ernährungsmedizinische Fachkraft erfolgen.

Lebenserwartung: Wie lange kann man mit Kurzdarmsyndrom leben?

Die Lebenserwartung bei Kurzdarmsyndrom variiert stark, ist in der Regel jedoch geringer als bei gesunden Personen. Sie hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem der Ursache des Syndroms, dem allgemeinen Gesundheitszustand und der Inanspruchnahme medizinischer Versorgung. Auch die Länge des verbliebenen Dünndarms spielt eine Rolle: Bei einer Restlänge unter 50 Zentimetern kann die Lebenserwartung sinken, da ein stark verkürzter Darm vermehrt zu Problemen wie Mangelernährung führt.

Eine allgemeine Aussage zur Lebenserwartung ist schwierig. In einigen Fällen kann das Syndrom lebensbedrohliche Komplikationen verursachen, während andere Betroffene ein relativ normales Leben führen können. Durchschnittlich liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei 70 Prozent.

Schwerbehinderung bei Kurzdarmsyndrom

Wenn bei Ihnen ein Kurzdarmsyndrom diagnostiziert wurde und Sie auf eine tägliche parenterale Ernährung über einen Port oder zentralen Venenverweilkatheter angewiesen sind, haben Sie Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit. Eine Schwerbehinderung wird ab einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 Prozent anerkannt. Je stärker Sie im Alltag von der Erkrankung beeinträchtigt sind, desto höher fällt der Grad der Behinderung aus. Bei Fragen können Ihnen die zuständigen Landesämter weiterhelfen.

Leben mit dem Kurzdarmsyndrom

Das Kurzdarmsyndrom ist eine ernsthafte Erkrankung, die das tägliche Leben stark beeinflussen kann. Dennoch zeigen viele Betroffene, darunter auch Prominente wie der deutsche Comedian Tony Bauer, dass es möglich ist, trotz dieser Herausforderungen ein aktives und erfülltes Leben zu führen. Mit der richtigen Therapie und Unterstützung können viele Betroffene lernen, mit ihrer Erkrankung umzugehen und ihre Lebensqualität zu verbessern. Selbsthilfegruppen können helfen, einen guten Umgang mit der Erkrankung zu erlernen und Schritt für Schritt in den Alltag zurückzufinden.

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