Frau sieht aus dem Fenster und nimmt eine Tablette
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Paroxetin – Antidepressivum mit Nebenwirkungen

Von: Dr. med. Olga Reichold (Ärztin)
Letzte Aktualisierung: 10.05.2024 - 12:07 Uhr

Paroxetin ist ein sogenanntes Antidepressivum. Das heißt, es hilft gegen Depressionen, aber auch bei anderen psychiatrischen Erkrankungen kommen Medikamente mit dem Wirkstoff zum Einsatz. Was sollte man über die Wirkweise und Dosierung wissen, was ist beim Absetzen zu beachten und welche Nebenwirkungen sind möglich? Das lesen Sie hier!

Was ist Paroxetin?

Paroxetin ist ein Psychopharmakon, also ein Wirkstoff, der die menschliche Psyche beeinflusst. Genauer gesagt handelt es sich bei Paroxetin, das beispielsweise unter den Handelsnamen Paroxat® oder Seroxat® verkauft wird, um einen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer oder "selective serotonin reuptake inhibitor" (SSRI). Dies ist eine Untergruppe von Antidepressiva, die neben der Depression auch für andere psychiatrische Krankheitsbilder eingesetzt wird.

Für was nimmt man Paroxetin?

Die wichtigste und häufigste Indikation, also der medizinische Grund, ein Medikament mit SSRI zu verschreiben, ist die Depression. Da Paroxetin angstlösend wirkt, gehören aber auch Panikstörungen, Agoraphobie (Angst vor großen Plätzen), soziale Phobie, Zwangsstörungen, eine generalisierte Angststörung und die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zu den Einsatzgebieten des Wirkstoffs.

Welche Wirkung hat Paroxetin?

Bisher gibt es keine vollständige und wissenschaftlich komplett anerkannte Theorie zur sogenannten Ätiopathogenese, also der Entstehung, einer Depression. Aber ein führender Erklärungsansatz geht davon aus, dass es aufgrund verschiedener genetischer Faktoren und Umweltfaktoren zu einem Ungleichgewicht von Botenstoffen (Neurotransmittern) im Gehirn kommt. Konkret besteht ein Mangel an Serotonin, was die meisten Menschen als Glückshormon kennen.

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Paroxetin erhöhen indirekt über einen komplexen molekularen Mechanismus die Konzentration dieses Botenstoffs zwischen den Nervenzellen. Dadurch kommt es zu einer Linderung der depressiven Symptomatik.

Dosierung von Paroxetin

Wie bei allen Psychopharmaka hängt die Dosierung von der Indikation sowie der persönlichen Wirksamkeit und Verträglichkeit ab. Bei einer Depression, generalisierten Angststörung oder Posttraumatischen Belastungsstörung beginnt man mit einer Dosis von 20 mg, bei der Panikstörung mit 10 mg. Anschließend steigert man die Dosierung um maximal 10 mg pro Woche bis zu einer Maximaldosis von 50 bis 60 mg pro Tag. Bei Personen, die älter sind als 65 Jahre, sollte eine Dosis von 40 mg nicht überschritten werden.

Außerdem sollte bei einer schweren Funktionseinschränkung der Niere sowie jeglicher Funktionseinschränkung der Leber eine Reduzierung der Dosis erfolgen. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sollten Paroxetin nicht einnehmen.

Wie sollte Paroxetin eingenommen werden?

Filmtabletten mit Paroxetin sollten einmal am Tag, idealerweise morgens mit dem Frühstück, eingenommen werden. Dabei sollten die Tabletten nicht zerkaut, sondern mit ausreichend Wasser geschluckt werden.

Wann setzt die Wirkung von Paroxetin ein?

Die Wirkung setzt nach etwa zwei Wochen ein und das Arzneimittel entfaltet seinen vollen Effekt nach vier Wochen regelmäßiger Einnahme. 

Im Gegensatz dazu beginnen die meisten Nebenwirkungen von Paroxetin in der Regel sofort und halten etwa vier Wochen ab Beginn der Einnahme an. Dies bezeichnet man auch als das sogenannte Jitteriness-Syndrom. Dadurch können sich die Symptome der zugrundeliegenden psychiatrischen Erkrankung zu Beginn der Therapie zunächst einmal verschlimmern. Die Nebenwirkungen am Anfang umfassen unter anderem Schlafstörungen, Unruhe und Panik. Des Weiteren wurde in Studien in dieser Phase der Therapie eine erhöhte Suizidalität (Selbstmordgedanken und -verhalten) festgestellt.

Aus diesem Grund verbringen Betroffene zu Beginn der Einnahme des Mittels häufig einen entsprechenden Zeitraum in einer Klinik, um solche möglichen Nebenwirkungen zu überwachen.

Was sind die Nebenwirkungen von Paroxetin?

Bei Einnahmebeginn kann es zu der bereits erwähnten Erstverschlimmerung der psychiatrischen Symptomatik kommen. Zu den häufigen Nebenwirkungen von Paroxetin und SSRIs generell zählen Übelkeit und ein verminderter Appetit. Das liegt daran, dass sich im Brechzentrum des Gehirns viele Serotoninrezeptoren befinden. Werden diese durch Paroxetin angeregt, kommt es zur Übelkeit.

Des Weiteren kann es zu sexuellen Funktionsstörungen wie etwa Erektions- oder Orgasmusstörungen kommen, aber auch zu folgenden Nebenwirkungen:

  • Gewichtszunahme
  • Schläfrigkeit oder Schlaflosigkeit
  • innere Unruhe
  • ungewöhnliche Träume, vor allem Albträume
  • Erhöhung der Cholesterinwerte
  • eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit
  • verschwommenes Sehen
  • Schwitzen
  • Schwindel

Gelegentlich führt Paroxetin zu abnormen Blutungen, Verwirrtheitszuständen, Halluzinationen, Bewegungsstörungen, weiten Pupillen, Hautausschlag oder Juckreiz.

Zu den möglichen Nebenwirkungen am Herzen zählen Herzrasen und Blutdruckschwankungen.

Mögliche Langzeitfolgen von Paroxetin

Studien haben herausgefunden, dass das Risiko für Brustkrebs bei Patient*innen, die Paroxetin mindestens vier Jahre lang eingenommen haben, erhöht ist.

Des Weiteren steigt das Risiko für sexuelle Funktionsstörungen, die nach dem Absetzen noch anhalten können, sowie für Diabetes. Diese Langzeitschäden betreffen aber statistisch gesehen nur wenige Personen. Generell ist Paroxetin ein sehr sicheres Medikament.

Wann darf Paroxetin nicht eingenommen werden?

Menschen mit einer Allergie gegen Soja oder Erdnüsse dürfen Paroxetin nicht einnehmen. Des Weiteren dürfen Paroxetin und Tranycypromin (ein Antidepressivum aus der Gruppe der MAO-Hemmer) nicht gleichzeitig eingenommen werden. Auch nach dem Absetzen von Tranycypromin müssen die betreffenden Personen mindestens zwei Wochen warten, bis sie Paroxetin einnehmen dürfen. Sonst kann es zu einem serotonergen Syndrom (Serotoninsyndrom) kommen. 

Serotonerges Syndrom

Beim serotonergem Syndrom handelt es sich um einen der wenigen Notfälle in der Psychiatrie. Der Körper wird dabei mit dem Neurotransmitter Serotonin überstimuliert und es kann zu einer Vielzahl von Beschwerden kommen, unter anderem:

  • Hitzewallungen
  • Steifheit
  • Zuckungen und Zittern
  • Instabilität des Pulses, der Atmung und des Blutdrucks
  • Verwirrtheit
  • Reizbarkeit
  • in besonders schweren Fällen Delir und Koma

Die Therapie besteht dann in allen Fällen darin, die auslösende Substanz sofort abzusetzen und Medikamente zu verabreichen, die Unruhe behandeln.

Darüber hinaus darf Paroxetin nicht zusammen mit dem gegen Schizophrenie eingesetzten Medikament Thioridazin eingenommen werden, da sonst eine Akkumulation (Ansammlung) von Thioridazin im menschlichen Körper entsteht und Herzrhythmusstörungen drohen.

Wann ist bei der Einnahme von Paroxetin Vorsicht geboten?

Depressive Menschen mit einem Suizidrisiko, die Paroxetin verschrieben bekommen, sollten in den ersten Wochen sorgfältig überwacht werden, da es am Anfang zu einer Steigerung der Suizidalität kommen kann. Personen, die eine starke innere Unruhe haben, sollten eine kleinere Anfangsdosis erhalten und Dosissteigerungen sollten nur sehr langsam vonstattengehen, da Paroxetin diese Symptome zu Beginn verschlimmern kann. Auch Menschen, die an einer bipolar affektiven Störung leiden, sollten Paroxetin nur mit Vorsicht verabreicht bekommen, da dieses sonst eine Manie auslösen kann.

Menschen mit Diabetes sollten ihren Blutzuckerspiegel engmaschig überwachen, da Paroxetin eine Erhöhung des Insulins notwendig machen kann. Personen mit Epilepsie sollten ebenfalls unter Paroxetin gut überwacht werden. Sollte es unter der Medikation zu einem Krampfanfall kommen, muss das Präparat sofort abgesetzt werden. Ähnliches gilt bei einem Glaukom (grüner Star), auch hierbei sollte die Anwendung des Präparats nach einem Glaukomanfall gestoppt werden.

Wechselwirkungen mit Paroxetin

Bei gleichzeitiger Einnahme von unterschiedlichen Arzneimitteln kann es zu Wechselwirkungen kommen. Dazu gehören:

  • Tamoxifen: Das Brustkrebsmittel Tamoxifen darf nicht zusammen mit Paroxetin eingesetzt werden, da in Studien vermehrte Rezidive (Rückfälle) des Brustkrebses festgestellt werden konnten.
  • Pravastatin: Auch auf eine gemeinsame Verschreibung vom Cholesterinsenker Pravastatin mit Paroxetin sollte verzichtet werden, da es dadurch zu einer Steigerung des Blutzuckerspiegels kommen kann.
  • Pimozid: Das Neuroleptikum (Antipsychotikum) Pimozid, das gegen Schizophrenie eingesetzt wird, darf ebenfalls nicht mit Paroxetin kombiniert werden, da es zu einer Erhöhung des Pimozidspiegels und dadurch zu Herzrhythmusstörungen kommen kann.
  • Procyclidin: Auch der Spiegel des Parkinsonmedikaments Procyclidin steigt bei einer Kombination mit Paroxetin stark an.
  • Clomipramin, Nortritptylin, Desipramin, Perphenazin, Thioridazin, Risperidon, Atomoxetin, Propafenon, Flecainid, Metoprolol: Der Spiegel dieser Medikamente steigt eventuell bis über die therapeutische Dosis an, wenn sie mit Paroxetin kombiniert werden.
  • Fosamprenavir und Ritonavir: Der Spiegel von Paroxetin sinkt um etwa die Hälfte, wenn es mit diesen HIV-Medikamenten kombiniert wird.
  • Blutverdünner: Die Kombination von oralen Antikoagulanzien und Paroxetin führt zu einer erhöhten Blutungsneigung.
  • Acetylsalicylsäure (wie Aspirin®) und Clopidogrel: Diese Thrombozytenaggregationshemmer führen in der Kombination mit Paroxetin zu einer erhöhten Blutungsneigung. Das liegt daran, dass Serotonin eine Rolle bei der Blutgerinnung durch die Thrombozyten spielt.
  • andere SSRIs, Johanniskraut, Opioide oder LSD: In Kombination mit diesen Mitteln kann das bereits genannte serotonerge Syndrom auftreten.

Auch auf den Konsum von Alkohol sollte während der Einnahme von Paroxetin verzichtet werden.

Paroxetin in Schwangerschaft und Stillzeit

Paroxetin ist zwar keine teratogene (fruchtschädigende) Substanz, dennoch sollte bei depressiven Schwangeren auf eine besser verträgliche Alternative umgestellt werden, wie etwa Sertralin oder Citalopram. Sollten andere Medikamente nicht vertragen werden, liegt es im Ermessen des*der Arztes*Ärztin, ob der Nutzen die Risiken überwiegt und das Präparat dennoch gegeben werden kann. Dasselbe gilt für die Einnahme in der Stillzeit.

Wird Paroxetin von der Schwangeren bis zur Entbindung genommen, so muss das Kind in einem Krankenhaus mit neonatologischer Betreuung geboren werden. Die Neonatologie ist spezialisiert auf die Behandlung frühgeborener oder erkrankter Neugeborener. So kann das Baby nach der Geburt bei Bedarf besser überwacht werden.

Welche Alternativen gibt es zu Paroxetin?

Die Alternativen hängen maßgeblich von der Indikation ab. So können bei Depression andere Antidepressiva wie etwa Citalopram, Escitalopram, Sertralin, Fluvoxamin, Venlafaxin, Mirtazapin, Amitriptylin oder etwa Fluoxetin verschrieben werden. Aus Erfahrungen von Patient*innen geht hervor, dass vor allem Letzteres eine sehr ähnliche Wirkung wie Paroxetin hat, dafür aber seltener Albträume verursacht.

Nimmt die betroffene Person keine weiteren Medikamente (inklusive der Antibabypille) ein, so können bei leichteren depressiven Verstimmungen auch Johanniskrautpräparate helfen.

Grundsätzlich ist es so, dass alle Antidepressiva von ihrer antidepressiven Wirkung ungefähr gleichwertig sind, aber die Wahl des passenden Präparats anhand von Begleiterkrankungen und sonstigen Depressionssymptomen erfolgt. So könnte bei Depression mit Schlafstörungen und starker Unruhe Mirtazapin oder Amitriptylin verschrieben werden, wohingegen Venlafaxin bei einem stark verminderten Antrieb geeigneter wäre.

Bei Angsterkrankungen ist der Sachverhalt etwas komplizierter. Generell haben Antidepressiva wie etwa Paroxetin, Fluoxetin oder Venlafaxin den höchsten Empfehlungsgrad bei Angsterkrankungen. Ist die Einnahme dieser Medikamente nicht möglich oder erwünscht, kann auf ein dämpfendes trizyklisches Antidepressivum wie etwa Clomipramin oder den sogenannten MAO-Hemmer Moclobemid ausgewichen werden. Eine Behandlung mit diesen Präparaten bringt jedoch häufiger und unangenehmere Nebenwirkungen mit sich.

Auf keinen Fall sollten Menschen mit Angsterkrankungen als mittel- oder langfristige Therapie Benzodiazepine wie etwa Valium einnehmen, da diese ein sehr hohes Abhängigkeitspotenzial besitzen. Auch distanziert man sich in der Psychiatrie immer mehr davon, Pregabalin für diese Indikation zu verschreiben, da dieses Mittel erfahrungsgemäß ebenfalls abhängig machen kann, obgleich der Beipackzettel vor dieser Komplikation nicht warnt.

Generell sind die Angststörung, die soziale Phobie, die Posttraumatische Belastungsstörung, die Zwangsstörung und die Panikstörung Erkrankungen, die man langfristig und erfolgreich (auch) mit Psychotherapie behandeln kann.

Leidet eine Person unter einer generalisierten Angststörung, kann das in der Allgemeinmedizin immer beliebter werdende Medikament Opipramol helfen. Dabei handelt es sich um ein Präparat, welches im Gegensatz zu Paroxetin bei Bedarf genommen werden kann und im Vergleich zu Benzodiazepinen nicht abhängig macht.

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